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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
Autoren: Ha-Joon Chang
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Theorie des Unternehmertums einen Namen machte (siehe Nr. 15) argumentierte in den Vierzigerjahren, mit der wachsenden Zahl an Unternehmen und der Einführung wissenschaftlicher Prinzipien in Forschung und Entwicklung würden die heroischen Führungspersönlichkeiten des Frühkapitalismus durch bürokratische Profimanager ersetzt werden. Schumpeter glaubte, dies werde die Dynamik des Kapitalismus bremsen, sei aber unausweichlich. Auch John Kenneth Galbraith, der kanadischstämmige amerikanische Ökonom, erklärte in den Fünfzigerjahren, da der Aufstieg großer, von professionellen Managern geleiteter Konzerne unvermeidbar sei, müssten durch verstärkte staatliche Regulierung und gewerkschaftliche Macht »Gegenkräfte« zu diesen Konzernen geschaffen werden.
    Doch seither halten die Verfechter des Privateigentums daran fest, dass die Manager Anreize für eine Gewinnmaximierung erhalten müssen. Viele schlaue Köpfe haben am »Design« für diese Anreize gearbeitet, doch der »Heilige Gral« war nur schwer zu fassen. Managern ist es stets gelungen, ihren Arbeitsvertrag buchstabengetreu zu erfüllen, ohne deswegen unbedingt seiner Intention zu entsprechen. Besonders schwer tun sich Aktionäre bei der Frage, ob ein magerer Gewinn darauf zurückzuführen ist, dass die Konzernführung die Gewinnzahlen nicht ausreichend im Blick hatte, oder ob Kräfte im Spiel waren, die sich dem Einfluss der Manager entziehen.

Die dümmste Idee der Welt

    Die Haftungsbeschränkung hat eine enorme Produktivitätssteigerung ermöglicht, da sie es erlaubte, unglaublich viel Kapital anzuhäufen. Da den Aktionären der Ausstieg erleichtert wurde, sank auch das Risiko jeglicher Investition. Aufgrund dieses unkomplizierten Ausstiegs sind Aktionäre jedoch unzuverlässige Hüter der langfristigen Entwicklung eines Unternehmens.
    Aus diesem Grund haben die meisten reichen Länder außerhalb der angloamerikanischen Welt den Versuch unternommen, den Einfluss der sprunghaften Aktionäre zu begrenzen und mittels verschiedener Regelungen langfristige Interessengruppen, einschließlich einiger Aktionäre, zu erhalten oder gar zu schaffen. In vielen Ländern hält der Staat einen beträchtlichen Anteil an Schlüsselunternehmen, sei es direkt (zum Beispiel Renault in Frankreich, Volkswagen in Deutschland) oder indirekt durch staatliche Banken (so in Frankreich und Korea). Er agiert somit als zuverlässiger Aktionär. Wie oben bereits erwähnt, gestehen Länder wie Schweden verschiedenen Aktien unterschiedliches Stimmrecht zu. So konnten die Gründerfamilien die Kontrolle über das Unternehmen weitgehend behalten und gleichzeitig zusätzliches Kapital beschaffen. In einigen Ländern sind die Beschäftigten, die sich in stärkerem Maße langfristig orientieren als die unsteten Aktionäre, formal am Firmenmanagement beteiligt, so zum Beispiel in Deutschland, wo Betriebsräte im Aufsichtsrat sitzen. In Japan haben die Unternehmen den Einfluss der Aktionäre beschnitten, indem sie gegenseitige Beteiligungen befreundeter Unternehmen einführten. Profimanager und unstete Aktionäre tun sich in solchen Ländern erheblich schwerer, eine »unheilige Allianz« zu bilden, obwohl ihnen das Modell der Shareholder-Value-Maximierung am nächsten steht, weil es ihnen offensichtliche Vorteile bringt.
    In Ländern, in denen der Einfluss langfristiger Interessengruppen stärker, wenn nicht gar völlig beherrschend ist, sind die Unternehmen nicht so schnell zur Stelle, Arbeiter zu entlassen, Zulieferer zu drücken, Investitionen zu vernachlässigen und die Gewinne in Dividenden und Aktienrückkäufe zu stecken, wie amerikanische und britische Unternehmen das tun. Das bedeutet, dass sie langfristig bessere Perspektiven haben als amerikanische und britische Firmen. Man denke nur daran, wie der General-Motors-Konzern, der bei der Shareholder-Value-Maximierung in vorderster Reihe stand, seine absolute Vorherrschaft in der globalen Automobilindustrie verpulvert hat und schließlich bankrott ging, indem er ständig Stellen abbaute und Investitionen auf die lange Bank schob (siehe Nr. 18). Obwohl spätestens seit Ende der Achtzigerjahre auf der Hand lag, welche Schwächen die kurzfristig ausgerichtete Strategie des GM-Managements hatte und sie dem Konzern sämtliche Kraft raubte, hielt man bis zum Bankrott im Jahr 2009 daran fest, weil sie Manager und Aktionäre glücklich machte.
    Ein Wirtschaftsunternehmen zum Wohle unsteter Aktionäre zu führen, ist nicht nur völlig
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