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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3
Autoren: Haruki Murakami
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bedeutet.
    Dein Königreich komme, wiederholte Aomame, wie sie es immer vor dem Mittagessen in der Grundschule getan hatte. Was auch immer das bedeutete, sie hatte es sich von ganzem Herzen gewünscht. Dein Königreich komme.
    Tengo fuhr zärtlich mit den Fingern durch Aomames Haar.
     
    Zehn Minuten später gelang es Tengo, ein vorüberfahrendes Taxi anzuhalten. Anfangs mochten die beiden ihren Augen kaum trauen. Mitten im Stau kroch ein freies Taxi auf sie zu. Als Tengo ungläubig die Hand hob, öffnete sich sogleich die hintere Tür, und die beiden stiegen ein. Rasch und hektisch, als fürchteten sie, es könne sich als Trugbild erweisen und verschwinden. Der junge, bebrillte Fahrer wandte den Kopf nach hinten.
    »Erlauben Sie, dass ich gleich an der Ausfahrt Ikejiri rausfahre? Wegen des Staus?«, fragte er. Seine Stimme war für einen Mann ziemlich hoch, aber sie war nicht schrill.
    »Machen Sie nur«, sagte Aomame.
    »Eigentlich verstößt es gegen das Gesetz, auf der Autobahn Fahrgäste aufzunehmen.«
    »Welches Gesetz denn?«, fragte Aomame. Auf ihr Gesicht im Rückspiegel trat ein leicht unwilliger Ausdruck.
    Welcher Paragraph es genau war, wollte dem Fahrer auf die Schnelle nicht einfallen. Außerdem schüchterte ihn Aomames Gesichtsausdruck im Rückspiegel ein.
    »Aber ist ja kein Problem.« Er ließ das Thema fallen. »Wohin möchten Sie?«
    »Sie können uns irgendwo beim Bahnhof Shibuya rauslassen«, sagte Aomame.
    »Der Taxameter läuft nicht«, sagte der Fahrer. »Sie müssen nur für die Strecke bezahlen, wenn wir von der Autobahn runter sind.«
    »Aber warum fahren Sie denn leer hier herum?«, fragte Tengo den Fahrer.
    »Das ist eine ziemlich komplizierte Geschichte«, sagte dieser mit ermatteter Stimme. »Möchten Sie sie hören?«
    »Ja«, sagte Aomame. Egal, wie lang und langweilig die Geschichte sein würde. Sie wollte hören, welche Geschichten die Menschen in dieser neuen Welt zu erzählen hatten. Vielleicht enthielten sie neue Geheimnisse und neue Hinweise.
    »Ich habe am Kinuta-Park einen Mann in mittlerem Alter aufgenommen, der in die Nähe der Universität in Aoyama wollte. Ich sollte die Stadtautobahn nehmen, weil es in Shibuya so voll ist, wenn man unten fährt. Zu dem Zeitpunkt hatte der Verkehrsfunk den Stau auf der Autobahn noch nicht gemeldet. Mutmaßlich floss der Verkehr also noch. Also fuhr ich, wie er gesagt hatte, bei Yoga auf die Autobahn. Dann gab es wohl bei Tanimachi einen Unfall, und da haben wir den Salat! Wenn man einmal oben ist, kann man vor der Ausfahrt Ikejiri nicht mehr runter. Irgendwann hat mein Fahrgast eine Bekannte getroffen. Als wir etwa auf der Höhe von Komazawa sind, steht auf der Spur neben uns ein silbernes Mercedes-Coupé, und die Fahrerin ist zufällig eine Bekannte von ihm. Also machen sie die Fenster runter und fangen an, sich zu unterhalten. Nicht lange, und sie sagt: ›Warum kommst du nicht zu mir rüber‹? Er dann zu mir: ›Tut mir leid, aber ich möchte jetzt zahlen und umsteigen.‹ Dass ein Fahrgast auf der Autobahn aussteigt, ist mir noch nie passiert, aber da wir ja praktisch standen, konnte ich schlecht was sagen. Und weg war er. Klar hat er sich entschuldigt und mir ein Trinkgeld gegeben, aber auf meine Kosten bin ich trotzdem nicht gekommen. Immerhin saß ich hier fest. Irgendwie bin ich dann bis hierher kurz vor die Ausfahrt Ikejiri gekrochen. Dann habe ich Sie winken sehen. Eine unglaubliche Geschichte, finden Sie nicht?«
    »Ich glaube sie«, sagte Aomame lakonisch.
     
    In dieser Nacht nahmen die beiden ein Zimmer im siebzehnten Stock eines Hotels in Akasaka. Sie löschten das Licht, zogen sich aus, schlüpften ins Bett und umarmten sich. Sie hatten sich so vieles zu erzählen, aber das konnte bis zum Morgen warten. Vorerst hatten sie Wichtigeres zu tun. Wortlos und ohne Hast erkundeten sie in der Dunkelheit ihre Körper. Mit allen zehn Fingern und ihren Handflächen überzeugten sie sich nach und nach, was sich wo befand und welche Form es hatte. Mit klopfenden Herzen wie kleine Kinder, die in geheimen Gemächern auf Schatzsuche gehen. Und wenn sie sich von etwas überzeugt hatten, drückten sie mit den Lippen ihr Erkennungszeichen darauf.
    Als sie schließlich damit fertig waren, hielt Aomame Tengos steifen Penis lange fest in der Hand. Ebenso wie sie damals nach dem Unterricht im Klassenzimmer seine Hand gehalten hatte. Er fühlte sich härter an als alles, was sie kannte. Es war fast ein Wunder. Aomame spreizte die Beine und
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