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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3
Autoren: Haruki Murakami
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nicht logisch erklären kann.«
    Aomame sah ihm in die Augen.
    »Damals wusste ich nicht, was es zu bedeuten hatte. Nicht, dass ich es jetzt verstehen würde. Aber wenn du an dem Abend schwanger geworden bist und dir sonst keine Möglichkeit einfällt, ist das Kind ohne jeden Zweifel von mir.«
    Vielleicht war Fukaeri die Überträgerin . Vielleicht hatte man der jungen Frau die Aufgabe zugeteilt, als eine Art Durchgang zu dienen, um Tengo und Aomame zu verbinden. Um eine physische Vereinigung der beiden herbeizuführen.
    »Irgendwann werde ich dir genau erzählen, was damals passiert ist«, sagte Tengo. »Aber im Moment fehlen mir die passenden Worte.«
    »Aber du glaubst mir wirklich ? Dass es dein Kind ist?«
    »Ich glaube dir von ganzem Herzen«, sagte Tengo.
    »Ich bin so froh«, sagte Aomame. »Mehr brauche ich nicht zu wissen. Solange du mir das glaubst, ist alles andere egal. Ich brauche keine Erklärung.«
    »Du bist also schwanger«, stellte Tengo noch einmal fest.
    »Im vierten Monat«, sagte sie und führte seine Hand auf den Mantel über ihrem Bauch.
    Mit angehaltenem Atem versuchte Tengo das neue Leben darin zu spüren. Es war noch sehr klein, aber er konnte seine Wärme fühlen.
    »Wo gehen wir jetzt hin? Du und ich und das Kleine .«
    »Fort von hier«, sagte Aomame. »In eine Welt, die nur einen Mond hat. Wo wir hingehören. Wo die Little People keine Macht haben.«
    »Die Little People?« Tengo runzelte leicht die Stirn.
    »Du hast sie doch ausführlich in Die Puppe aus Luft beschrieben. Wie sie aussehen, und was sie tun.«
    Tengo nickte.
    »Auf dieser Welt hier gibt es sie wirklich. Genau wie du sie geschildert hast.«
    Als er Die Puppe aus Luft bearbeitet hatte, waren die Little People für ihn nicht mehr als Ausgeburten der überschäumenden Phantasie einer Siebzehnjährigen gewesen. Bestenfalls eine Metapher oder ein Symbol. Aber mittlerweile war er in der Lage zu glauben, dass sie hier tatsächlich existierten und wirkliche Macht besaßen.
    »Hier sind nicht nur die Little People real, auch Puppen aus Luft, Mothers und Daughters und die beiden Monde existieren«, sagte Aomame.
    »Und du weißt, wie wir wieder hier wegkommen?«
    »Wir werden den gleichen Weg zurückgehen, den ich gekommen bin. Etwas Besseres fällt mir nicht ein«, sagte Aomame und fügte hinzu: »Hast du das Manuskript des Romans dabei, den du angefangen hast?«
    »Hier drin.« Tengo schlug leicht mit der flachen Hand auf seine Umhängetasche. Wie seltsam. Woher wusste sie davon?
    Aomame lächelte zaghaft. »Ich weiß es eben.«
    »Du scheinst alles Mögliche zu wissen«, sagte Tengo. Es war das erste Mal, dass er Aomame lächeln sah. Es war ein sehr schwaches Lächeln, aber er spürte, wie sich der Gezeitenstand seiner Welt zu verändern begann.
    »Verlier es nicht«, sagte Aomame, »denn es hat große Bedeutung für uns.«
    »Keine Sorge, ich werde es nicht verlieren.«
    »Wir sind auf diese Welt gekommen, um uns zu begegnen. Wir wussten es nicht, aber das war das Ziel. Wir mussten so viel durchmachen. Unbegreifliches und Unerklärliches. Seltsames, Blutiges und Trauriges. Einiges war auch schön. Wir mussten ein Gelübde ablegen, und wir haben es erfüllt. Uns wurde eine Prüfung auferlegt, und wir haben sie bestanden. So haben wir den Zweck unseres Hierseins erfüllt. Aber jetzt sind wir in großer Gefahr. Sie sind uns auf den Fersen, denn sie wollen die Daughter, die in mir ist. Du weißt, was eine Daughter ist, oder?«
    Tengo atmete tief durch. »Haben wir beide eine Daughter gezeugt?«, fragte er.
    »Ja. Welches Prinzip dahintersteht, weiß ich nicht, aber ich soll eine Daughter gebären. Vielleicht mit Hilfe einer Puppe aus Luft. Vielleicht fungiere ich auch selbst als Puppe. Jedenfalls wollen sie uns alle drei in ihre Gewalt bekommen. Um ein neues System zu schaffen, das es ihnen ermöglicht, die ›Stimmen zu hören‹.«
    »Aber welche Rolle spiele ich denn dabei? Abgesehen davon, dass ich der Vater dieser Daughter bin.«
    »Du –«, setzte Aomame an und verstummte. Es gab noch immer so viele Lücken. Offene Stellen, die sie mit der Zeit gemeinsam füllen mussten.
    »Ich wollte dich finden«, sagte Tengo. »Aber ich habe es nicht geschafft. Du hast mich gefunden, ich habe nichts dazu beigetragen. Das ist, wie soll ich sagen, nicht fair.«
    »Nicht fair?«
    »Ich schulde dir so viel. Und ich war dir überhaupt keine Hilfe.«
    »Du schuldest mir gar nichts«, sagte Aomame entschieden. »Du hast mich hierhergeführt.
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