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Das Geheimnis der Schnallenschuhe

Das Geheimnis der Schnallenschuhe

Titel: Das Geheimnis der Schnallenschuhe
Autoren: Agatha Christie
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    M r Morley war beim Frühstück nicht besonders guter Laune. Er mäkelte über den gebratenen Speck, wollte wissen, warum der Kaffee wie flüssiger Schlamm aussehe, und brummte, jede neue Sorte Cornflakes sei noch ungenießbarer als die vorhergehende.
    Mr Morley war ein kleiner Mann mit energischem Unterkiefer und streitsüchtigem Kinn. Seine Schwester, die ihm den Haushalt führte, war groß und kräftig und sah aus wie ein Grenadier. Sie betrachtete ihren Bruder nachdenklich und fragte, ob das Badewasser wieder kalt gewesen sei.
    Ziemlich widerwillig verneinte Mr Morley. Er warf einen Blick in die Zeitung und knurrte, die Regierung scheine nun von bloßer Unfähigkeit in einen Zustand regelrechten Schwachsinns überzugehen.
    Miss Morley bestätigte mit tiefer Bassstimme, es sei einfach schändlich.
    Nachdem sich Mr Morley eingehend über den Schwachsinn der Regierung ausgelassen hatte, trank er eine zweite Tasse von dem verachteten Kaffee und entledigte sich der eigentlichen Last, die ihn bedrückte.
    «Die Mädchen», sagte er, «sind alle gleich! Wankelmütig, egoistisch – man kann sich in keiner Weise auf sie verlassen.»
    «Gladys?», fragte der Grenadier, und Mr Morley knurrte: «Ja! Ihre Tante ist schwer erkrankt, und sie hat zu ihr nach Somerset fahren müssen.»
    Miss Morley meinte: «Sehr unangenehm, mein Lieber, aber es ist doch wohl kaum ihre Schuld.»
    Mr Morley schüttelte düster den Kopf.
    «Woher soll ich wissen, dass die Tante wirklich einen Schlaganfall gehabt hat? Woher soll ich wissen, dass die ganze Sache nicht ein abgekartetes Spiel ist zwischen dem Mädchen und diesem höchst unpassenden jungen Mann, mit dem sie dauernd herumzieht? Der Bursche ist ein Taugenichts, wie er im Buche steht! Wahrscheinlich haben sie für heute einen Ausflug zusammen verabredet!»
    «Aber nein, mein Lieber – ich kann mir nicht denken, dass Gladys so etwas tun würde. Du hast sie doch selbst immer sehr gewissenhaft gefunden.»
    «Ja, ja – »
    «Ein intelligentes Mädchen, tüchtig und fleißig, hast du gesagt.»
    «Ja, ja, Georgina – aber das war, ehe dieser unwillkommene junge Mann aufgetaucht ist. In der letzten Zeit ist sie anders geworden – ganz anders: geistesabwesend, zerstreut, nervös.» Der Grenadier tat einen tiefen Seufzer.
    «Es ist nun einmal so, Henry, dass Mädchen sich verlieben. Dagegen lässt sich nichts machen.»
    «Das sollte aber ihre Arbeit als meine Sekretärin nicht beeinträchtigen!», schnauzte Morley. «Und gerade heute, da ich besonders viel zu tun habe! Verschiedene sehr wichtige Patienten. Höchst unangenehm!»
    «Ich bin überzeugt, dass es für dich äußerst lästig sein muss, Henry. Wie macht sich übrigens der neue Boy?»
    Mr Morley sagte düster: «Es ist der ärgste, den ich jemals gehabt habe. Kann keinen einzigen Namen richtig verstehen und hat die gröbsten Manieren. Wenn er sich nicht bessert, werfe ich ihn raus und versuche es mit einem anderen. Ich weiß nicht, was heutzutage in unseren Schulen los ist. Produzieren lauter Schwachköpfe, die nichts von dem verstehen, was man ihnen sagt, geschweige denn, dass sie es behalten.»
    Er sah auf die Uhr.
    «Ich muss runtergehen. Ein vollbesetzter Vormittag, und außerdem muss ich noch diese Sainsbury Seale zwischendurch drannehmen, weil sie Schmerzen hat. Ich hab ihr vorgeschlagen, sich von Reilly behandeln zu lassen, aber sie hat nichts davon wissen wollen.»
    «Natürlich nicht», sagte Georgina.
    «Reilly ist sehr tüchtig – wirklich sehr tüchtig. Erstklassige Diplome. Ganz modern in seiner Arbeit.»
    «Er hat keine ruhige Hand», murrte Miss Morley. «Meiner Meinung nach trinkt er.»
    Ihr Bruder lachte – seine gute Laune war wiederhergestellt. «Ich komme, wie gewöhnlich, um halb zwei zu einem Sandwich rauf!», sagte er.
     
    Im Savoy stocherte Mr Amberiotis in den Zähnen und lachte vor sich hin. Alles lief nach Wunsch.
    Er hatte Glück gehabt, wie gewöhnlich. Kaum zu glauben, dass die paar freundlichen Worte, die er mit diesem törichten Frauenzimmer gesprochen hatte, sich derart bezahlt machten! Ja – man musste eben ein gütiger, freundlicher Mensch sein. Und großzügig! Künftig würde er sogar noch großzügiger sein können. Der kleine Dimitri… Und der gute Konstantopopolous, der sich mit seinem kleinen Restaurant so plagen musste. Was für angenehme Überraschungen standen ihnen bevor… Der Zahnstocher rutschte aus, und Mr Amberiotis zuckte zusammen. Die rosigen Zukunftsvisionen verblassten
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