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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Rollkragenpullover an. Und er hatte keinen verhunzten Kopf, wie ihn so viele Männer durch die Gegend trugen. Er war nicht nur bartlos, sondern auch gut rasiert, und sein volles, dunkles Haar war sorgfältig gekämmt. Ja, dachte Schweikert, er wirkt geradezu adrett und sieht trotzdem aus wie ein Marlboro-Mann. Er trat auf ihn zu, gab ihm die Hand, bot ihm seinen Stuhl an und setzte sich auf die Bettkante. Gleich darauf legte jeder eine flache Blechschachtel auf den Tisch. Wobeser hatte die seine beim Eintritt in der linken Hand gehalten, und Schweikert hatte sein Kästchen aus der Jackentasche hervorgeholt. Sie öffneten die Behälter, und bald war der Tisch mit Briefmarken bedeckt. Wie Patiencen lagen die kleinen bunten Rechtecke auf der Tischplatte.
    Nach einigen Minuten steckte der Wärter seine Nase noch einmal in den Raum, und das veranlaßte Schweikert, auf eine der Marken zu zeigen und sein Gegenüber zu fragen:
    »Gibst du mir dafür die olivbraune Togo zu drei Pfennig?«
    Die Tür schloß sich wieder, und Schweikert wertete es als einen weiteren Pluspunkt, daß sein Besucher, obwohl die Tür ins Schloß gefallen war, antwortete: »Die ist aber viel mehr wert! Da müßtest du mir schon noch was dazugeben, vielleicht die blaue Neuguinea.« Und auch, daß Richard Wobeser auf die gewünschte Marke zeigte und also das Guckloch berücksichtigte, deutete der Gastgeber als ein Zeichen von Umsicht.
    »Du heißt Richard?« Schweikert hatte seine Stimme gesenkt, und Wobeser antwortete ebenfalls leise: »Ja. Und du bist also der Doktor.«
    »Sag lieber Leo, wie die anderen es auch tun! Auf den Doktor pfeife ich sowieso. Siehst ja, was er mir eingebracht hat.« Mit einem leichten Kreisen des Kopfes und einem kurzen Verdrehen der Augen machte er dem anderen klar, was gemeint war, daß nämlich er, der Chemiker Dr. Leo Schweikert, wegen eines Deliktes einsaß, das mit der Ausübung seines Berufes zusammenhing.
    »Okay, also nenn’ ich dich Leo, wie die anderen. Georg sagte mir, du willst mich kennenlernen. Warum?«
Schweikert stand auf, holte von der Ablage über dem Waschbecken eine Pinzette, setzte sich wieder, nahm mit der kleinen Zange eine orangefarbene Marke auf, hielt sie Wobeser hin und sagte: »Hab’ gehört, du verstehst was von der Funkerei, von Flugzeugen und Yachten, auch von Sprengstoff, und du warst schon mal in Südamerika, sprichst sogar Spanisch.« Er legte die Marke auf den Tisch zurück.
Wobeser fragte: »Darf ich mal?« Und da hatte er auch schon die Pinzette an sich genommen, schnappte damit nach der orangefarbenen Marke, hielt sie sich dicht unter die Augen und sagte: »Zuletzt war ich anderthalb Jahre Pilot bei einer privaten bolivianischen Fluggesellschaft.«
»Warum nur anderthalb Jahre?«
»Dann bin ich geflogen.« Er grinste über seinen Witz, wurde aber gleich wieder ernst. »Alkohol. Einmal nur. Ein einziges verdammtes Mal, aber mein Boß reagierte darauf, als hätte ich seinen Hangar angezündet oder die dritte Bruchlandung in acht Tagen hingelegt. Er sagte nur: ›Hol dir dein restliches Geld, du bist gefeuert!‹« Wobeser griff unter den Pullover, fingerte seine Zigaretten aus der Hemdtasche, hielt sie Schweikert hin. Beide steckten sich eine an.
»Ich hätte dir das natürlich auch verschweigen können, hätte dir zum Beispiel erzählen können, die Firma sei pleite gegangen oder die Leute bezahlten zu mies.«
Schweikert nickte. »Nun verrat mir genauso ehrlich: Hängst du an der Flasche?«
»Hier? Wie denn wohl?«
»Ich meine draußen.«
»Natürlich nicht! Aber flieg du mal über dem bolivianischen Urwald durch ein schweres Gewitter, neben dir einen Funker, der sich vergeblich bemüht, den abgerissenen Kontakt wiederherzustellen, und sich bei jedem Blitz bekreuzigt! Dann orderst du nach der Zwischenlandung auch nicht grade ein Glas Milch. Der Mist war nur der, daß ich beim Weiterflug das Gewitter in der Birne hatte, und da saß es leider immer noch, als ich in Santa Cruz landete und mein Boß auf der Piste erschien.«
»Okay. Ich brauche keinen Piloten. Was ich suche, ist ein Mann, der clever ist, Mut hat, ein bißchen Spanisch spricht, eine Motoryacht fahren, mit Dynamit oder TNT umgehen, funken und den Mund halten kann.«
»Und was kriegt der für all das?«
»Sagen wir mal, das Dreifache vom Doppelten dessen, was er sich in seinen kühnsten Träumen erhofft.«
»Und was ist das in Zahlen?«
»Einzelheiten gibt’s heute abend noch nicht. Erst später. Aber du kannst dich darauf
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