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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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City und Acapulco eröffnet, so daß man in wenigen Stunden von der Hauptstadt an die Küste gelangen konnte. Und zwanzig Jahre danach beschloß Miguel Alemán, seinerzeit Präsident der Republik, den genau auf dem hundertsten Meridian liegenden Ort nicht nur für die Mexikaner zum Urlaubsparadies zu machen, sondern für Gäste aus aller Welt.
    Es wurde geworben, und es wurde gebaut. Bald wand sich, der Bogenlinie der bahía folgend, eine zwanzig Kilometer lange Uferstraße, die Costera Miguel Alemán , am unteren Saum des Hügelringes entlang. Zwischen ihr und dem Strand entstanden in rascher Folge zehn-, zwanzig-, dreißigstöckige Hotels. Der kleine Flughafen neben der Lagune Tres Palos wurde zum internationalen Landeplatz erweitert. Die Tourismusbörse notierte das Zauberwort Acapulco und bald auch den zweiten Namen der Stadt: Perle des Pazifiks. Und tatsächlich, sie kamen, die Gäste aus aller Welt, kamen mit dem Auto, dem Flugzeug, dem Schiff.
    Die Sonne stand, von ihm aus links, über der Base Naval , dem kleinen Marinestützpunkt nahe der Playa Icacos . Drei Stunden weiter, dachte er, und sie wirft ihr Licht und ihre Glut senkrecht auf die bahía . Dann haben selbst die hohen Hoteltürme keine Schattenfelder mehr, und im Sand schmoren die Menschenleiber, bräunen in Stundenfrist. Heute abend, gegen sieben Uhr, rollt der riesige rote Ball hinter der Insel Roqueta wieder ins Meer. Das ist der eigentliche Reichtum hier: daß an mindestens dreihundert Tagen im Jahr die Sonne scheint. Dieser Reichtum ist durch nichts zu gefährden. Auch die bahía und die grünen Hügel kriegt niemand kaputt. Das Amphitheater wird es immer geben. Es kommt nur darauf an, wie sich das Publikum benimmt. Ja, ich habe es richtig gemacht, als ich mir hier mein REFUGIO schuf.
    Er stand auf, läutete nach der alten Indianerin. Sie kam, räumte den Tisch ab und begann mit dem Saubermachen. Er verließ seinen Turm, um nach den Eltern zu sehen.
    Johannes Wieland und seine Frau Martha waren Frühaufsteher. Für sie hatte der Arbeitstag schon vor zwei Stunden begonnen, und zwar in Garten und Küche. Dort tätig sein zu dürfen, hatten sie sich ausbedungen, bevor sie herübergekommen waren. »Kein Drohnendasein«, hatte Johannes Wieland seinem Sohn damals geschrieben, »wir kommen nur, wenn wir uns nützlich machen können.«
    Paul Wieland fand die beiden auf ihrer Terrasse. Sie machten ihre erste Pause. Er setzte sich zu ihnen, fand, daß sie wohl aussahen, braungebrannt wie er selbst.
    »Mir scheint, du hast dein Haus ziemlich voll«, sagte die Mutter.
    »Gott sei Dank«, antwortete Paul Wieland. »In ein paar Tagen hält die Banco de Comercio wieder ihre Hand auf.« »Vier Jahre noch«, sagte der Vater, »das ist eine verdammt lange Zeit.«
»Macht euch keine Sorgen, ich schaffe es schon! Fast zwei Drittel der Laufzeit sind herum. Also noch ein Drittel, und dann kommt das große Aufatmen.«
»Und wenn du mit den Preisen rauf gingest?« fragte die Mutter. »Dann könntest du es früher schaffen. In meinem Canasta-Club sagen sie, du bist zu billig, könntest fünfundsiebzig Dollar nehmen statt fünfzig.« 
    »Mutter, das haben mir schon viele Leute gesagt, aber es wäre mit Sicherheit ein Fehler. Mir würden die Gäste wegbleiben.«
»Du machst es schon richtig«, sagte der Vater. »Hör nicht auf die anderen Leute! Entschuldige, Martha, aber es ist ein Unterschied, ob man Canasta spielt oder ein Hotel führt.« Paul Wieland stand auf. »In einigen Jahren kaufe ich ein zweites Grundstück, baue noch ein Haus. Die Pläne habe ich schon. Die Belastung wird kein Problem sein, weil ich sie aus den Einnahmen von zwei Betrieben abtragen kann. Die Sache funktioniert aber nur, wenn immer genügend Gäste da sind, und die locke und halte ich mit meinem Fünfzig-DollarAngebot. Es hat sich bewährt. So, jetzt muß ich in die Stadt. Wir sehen uns beim Mittagessen. Dann zeige ich euch die Pläne. Ich hab’ eine Option auf den halben Garten der beiden alten Orellana-Schwestern. Macht’s gut, ihr beiden! Bis nachher!«

3.
    Wie vereinbart, war Fernando Ortiz, der Spanier, schon eine halbe Stunde vor Beginn der Geburtstagsparty bei Georg erschienen. Die beiden bereiteten die Feier vor, wischten die ausgeliehenen Gläser nach, schnitten den Schinken in Scheiben, suchten ein paar Schallplatten heraus, zündeten Kerzen an und stellten aus zwei umgestülpten Eimern und einem Brett eine Sitzbank her.
    Sie verrichteten ihre Arbeiten flink,
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