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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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in der Hand. Und eigentlich ist es vollkommen gleichgültig, wer sie anzündet, weil eben jetzt schon feststeht, daß einer es tun wird. Nur ein Phantast kann glauben, mit hundert machtbesessenen Luntenträgern könne es noch lange gutgehen!«
»Sie schweifen ab! Ich möchte wissen, warum Sie sich Mexiko ausgesucht haben. Warum Acapulco?«
»Ich brauchte eine Bucht, so schön, daß die Anwohner zahlen würden, um sie zu erhalten, und dazu so gelegen, daß sie meiner Strategie entgegenkam. Und das war nun mal die Bucht von Acapulco.«
»Aber unschuldige Menschen …«
»Darauf kommt es nicht mehr an! Die Männer mit dem Sprengsatz haben alle Spielregeln außer Kraft gesetzt. Und was habe ich denn getan? Ich habe fünf Fässer mit 2,3,7,8-TCDD vergraben, sie aber ständig unter Kontrolle gehabt. Und ich habe Geld gefordert. Die Bedrohten konnten sich also freikaufen. Stellen Sie sich nur mal vor, wir alle hätten ebenfalls die Chance, uns freizukaufen, also die Vernichtung unserer Erde durch Zahlung zu verhindern! Jeder würde zahlen, weil er die Erde liebt und weil er sein Leben liebt! Aber diese Chance haben wir nicht, und die andere, die die einzige Alternative dazu wäre, ist minimal.«
»Welche wäre das?«
»Na, das liegt doch wohl auf der Hand: die Machthaber umzubringen! Das wäre natürlich noch besser als zahlen. Nur, wir fassen sie nicht, weil jeder einzelne von ihnen immer wieder bekräftigt, daß er den Frieden will. Aber im Plural werden sie anonym, man kann sie nicht fassen.«
»Sie sagen, Sie hatten die vergrabenen Fässer unter Kontrolle. Wenn die Bedrohten nicht bereit gewesen wären zu zahlen, dann … dann hätten Sie doch zugeschlagen, nicht wahr? Hätten die Fässer gesprengt?«
»Was soll die Frage? Die Zahlung stand fest, und darum habe ich die Menschen von Acapulco im Grunde gar nicht gefährdet.«
Jerónimo, der nichts verstanden hatte, sah etwas hilflos zu Paul Wieland hinüber und fragte schließlich: »De qué se trata?« Worum handelt es sich?
»Um den Versuch einer Rechtfertigung«, antwortete Paul Wieland.
»Den sollte er sich lieber für die Gerichtsverhandlung aufsparen.«
Schweikert machte ein paar Schritte, wandte sich dann aber erneut Wieland zu und erklärte: »In der Gerichtsverhandlung kann man dieses Band ablaufen lassen und es den Leuten übersetzen. Ich wiederhole mich ungern. Also, ich wollte Ihnen nur klarmachen, ein wie kleiner Fisch ich bin neben den Haien und Rochen, die uns allen über kurz oder lang den Garaus machen werden. Was ich getan habe, ist dagegen nichts. Ich habe einen Mauerstein leicht angekratzt, einen von den vielen Mauersteinen eines Gebäudes, das zum Abbruch freigegeben ist. Nein, ich muß mich korrigieren, ich habe überhaupt keinen Kratzer gemacht, sondern nur damit gedroht.«
»Man darf das Böse nicht tun, nur weil andere auch etwas Böses tun.«
»Im Prinzip haben Sie recht, aber hier geht es nicht ums Prinzip, sondern um die Dimension. Was Sie sagen, zählt von einer gewissen Größenordnung an nicht mehr. Die Männer mit den Lunten haben alle Spielregeln außer Kraft gesetzt, auch die moralischen.«
Wieland stand auf. »Sie werden schon sehen«, sagte er, »unsere Spielregeln gelten noch!« Und dann bat er Jerónimo: »Laß uns gehen!«
    Draußen auf dem Gang bestürmte Jerónimo ihn mit Fragen, aber so schnell waren die nicht zu beantworten, und daher saßen sie doch noch eine halbe Stunde im Büro. Als Paul Wieland geendet hatte, schüttelte Jerónimo den Kopf und sagte: »Das ist keine Rechtfertigung, das ist Anmaßung!«
    »Ich fürchte nur, einige seiner Argumente stimmen. Ich muß darüber nachdenken.«
»Mach das! Denk nach! Und ich setze das Verhör fort, bis euer Konsul kommt.«
Paul Wieland hakte den silbernen Aztekenkalender von seinem Autoschlüssel ab, hielt ihn Jerónimo hin. Doch der sagte: »Ich schenke ihn dir zur Erinnerung an unsere Zusammenarbeit. Und wir haben ja wirklich gut zusammengearbeitet.«
»Danke!«
Er fuhr ins REFUGIO. Aber Petra war nicht da. Manolo hatte sie und Christine an den Strand gebracht. Er begrüßte die Eltern, und dann setzte er sich auf seinen Balkon.
Unsere schöne Bucht haben wir gerettet, dachte er, doch was ist mit unserer schönen Erde? Er hatte sich auf den Tag gefreut, auf Petra, auf die Zukunft, und jetzt stellte er fest, daß es gar nicht mehr so leicht war, sich zu freuen.
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