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Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)

Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)

Titel: Flucht ins Glück: Das Geheimnis von Baxter Hall: Von den Eltern verstoßen (Frauenschicksale im 19. Jahrhundert) (German Edition)
Autoren: Anne Alexander
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    Darcey Marlow stand versonnen im Ankleidezimmer und betrachtete die junge Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegen blickte. Sie trug ein blaues Überkleid aus Chiffon mit Puffärmeln und einer hohen Taille, das sich vorne öffnete und den Blick auf das weiße, mit Silberfäden durchzogene Unterkleid freigab. Um ihren Ausschnitt lag ein schmaler, weiter Kragen. Das Kleid entsprach nicht der neuesten Mode, da es für sie aus einem alten Kleid ihrer Tante gearbeitet worden war, und dennoch hatte Darcey nie ein schöneres besessen. Die Zofe hatte ihre blonden Haare zu einer gefälligen Frisur aufgesteckt. Es kam nicht oft vor, dass sie frisiert wurde. Nur bei besonderen Anlässen.
    Zögernd berührte sie ihren Halsansatz. Sie überlegte, ob sie die Saphire anlegen sollte, die sie vor ihrer Mutter geerbt hatte.
    "Du siehst wunderschön aus, Darcey", meinte ihre sechzehnjährige Cousine Alice und trat neben sie. "Ich wünschte, ich hätte nur annähernd deine Figur und deine Haare." Mißmutig verzog sie den Mund. "Dabei gibt sich Elli mit meinen Haaren solche Mühe. Hundert Bürstenstriche jeden Abend. Man sollte meinen, das würde reichen."
    Darcey drehte sich um und nahm ihre Cousine spontan in die Arme. "Du bist sehr hübsch, Alice", versicherte sie. Es versprach durchaus der Wahrheit, denn Alice hatte ein hübsches Gesicht und schöne braune Augen. Leider neigte sie wie ihre Mutter zur Fülligkeit, was nicht einmal das steife Korsett, in das sie seit ihrem zehnten Lebensjahr gepreßt wurde, verbergen konnte. Dazu kam, daß Alice für ihr Alter ziemlich klein war und sich ungeschickt bewegte. An dieser Ungeschicklichkeit hatten auch die Tanzstunden, die sie seit ihrer Kindheit erhielt, nichts ändern können.
    "Bitte setzen Sie sich an den Frisiertisch, Miss Alice", bat Elli, die Zofe ihrer Mutter. "Was soll Mrs. Marlow sagen, wenn sie kommt, um nach Ihnen zu sehen, und Sie noch nicht fertig sind?"
    Alice nahm am Frisiertisch Platz. Geduldig ließ sie sich von Elli frisieren.
    Darcey ging in ihr Schlafzimmer hinüber, das durch eine Tür mit dem Ankleidezimmer verbunden wurde, und nahm die Saphire aus ihrem Schmuckkästchen. Es gab nicht viel, was ihr die Eltern bei ihrem Tod hinterlassen hatten. Ein wenig Schmuck und etwas Geld, das ihr ein sehr bescheidenes Einkommen sichern konnte. Viktor Marlow, ihr Onkel, hatte es gut angelegt.
    Die junge Frau schloß die Kette im Nacken. Sie fühlte sich kühl auf ihrer Haut an. Als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hatte sie ihrer Mutter zugeschaut, wenn sie sich zu einem Fest zurecht gemacht hatte.
    Wie oft hatte sie sich in den letzten Jahren nach ihren Eltern gesehnt. Ihre Verwandten, die sie nach dem Tod der Eltern aufgenommen hatten, ließen es sie bei jeder Gelegenheit spüren, wie dankbar sie ihnen sein mußte. Und sie war ihnen ja auch dankbar! Es wäre schrecklich gewesen, wenn man sie in ein Waisenhaus gesteckt hätte. Allerdings war sie überzeugt, daß ihre Tante Lucy diese Großmut längst bereute. Durch ihre Anwesenheit im Haus fiel Alices linkisches Wesen noch viel deutlicher auf. Das war auch einer der Gründe gewesen, weshalb man sie im letzten Jahr kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag mehr oder weniger gezwungen hatte, einer Ehe mit Sir William zuzustimmen.
    Darcey blickte auf ihren Verlobungsring. Es fiel ihr schwer, ihn sich nicht vom Finger zu reißen. Sir William, ein Geschäftsfreund ihres Onkels, hatte im letzten Jahr um sie angehalten. Eine gute Gelegenheit für ihre Verwandten, sie endlich aus dem Haus zu bekommen. Besonders ihre Tante legte Wert darauf, daß das geschah, bevor Alice in die Gesellschaft eingeführt wurde. Alices Saison stand im nächsten Winter bevor. Nichts fürchtete ihre Tante mehr, als dass sie ihrer Cousine die Show stehlen würde.
    Sie konnte ihre Tante verstehen, dennoch ergriff sie jedesmal ein kalter Schauer, wenn sie auch nur an Sir William dachte. Vor drei Wochen hatte er sie aus Anlaß seines fünfundvierzigsten Geburtstags mit ihrer Tante und ihrem Onkel zum Dinner in sein Londoner Haus eingeladen. Darcey dachte mit Entsetzen an diesen Abend. Das Haus wirkte wie eine Gruft und strahlte dieselbe Kälte aus, die sie auch bei ihm spürte. Mit zweiundzwanzig hatte er das erste Mal geheiratet, inzwischen war er zum zweiten Mal Witwer geworden. Böse Zungen behaupteten, daß sich seine letzte Frau das Leben genommen hatte, diese Tatsache jedoch geschickt vertuscht worden war. Die junge Frau wunderte sich nicht
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