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198 - Sohn und Dämon

198 - Sohn und Dämon

Titel: 198 - Sohn und Dämon
Autoren: Jo Zybell
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etwas, was die Barbarin lange nicht gespürt hatte: Wut.
    Schweißgebadet und wie gerädert wachte sie auf. Auf einmal wusste sie, wo sie der Greisin schon begegnet war: auf der langen Wanderung mit Sorbans Horde aus dem Nordland zum Großen Fluss; viele Winter war das her.
    Noch halb in ihrem Traum gefangen, setzte sie sich auf. Die Stimme der Göttersprecherin verlor sich in irgendeiner Ferne, ihr Bild verschwamm mit dem Halbdunkel der Kerkergrotte, der Traum löste sich in Nichts auf. Was blieb, war die Wut.
    Die gefangene Kriegerin ballte die Fäuste. »So wahr ich Aruula von den Dreizehn Inseln bin – ich werde überleben!«
    Sie riss an ihren Ketten. »So wahr ein unsichtbarer Krieger Wudans an meiner Seite steht – ich werde siegen…!«
    ***
    Er schreckte aus dem Schlaf hoch. Es war dunkel, der Himmel sternenklar. Er setzte sich auf und blickte sich um. Die anderen beiden lagen in ihre Felle gewickelt neben der Feuerstelle. Sie hatten die Augen geöffnet und sahen ihn erschrocken an. »Hast du das auch gehört, Gauko’on?«, flüsterte der eine Anangu, und der andere krächzte: »War das die Stimme des Ahnen?«
    »Das war sie«, sagte Gauko’on. »Das war SEINE Stimme. Steht auf, lasst uns wachen.«
    Die Männer schälten sich aus ihren Fellen und schlüpften in ihre Mäntel. Ein kühler Wind wehte. Alle drei waren sie steinalte, dürre Männchen mit weißen Locken und rotweißen Tätowierungen auf der schwarzen Haut.
    Gauko’on war der Älteste von ihnen, und er war der Erste Diener des Ahnen und zugleich sein Mund. Er entfernte sich ein Stück von der Feuerstelle, trat an den Rand des Felsplateaus und spähte hinunter. Kein Licht, kein Feuer, nichts. Unten im Lager der Gedankenmeister schliefen sie. Er lauschte – nichts zu hören. Außer der Stimme, die tief in seinem Geist raunte. Es war die Stimme des Ahnen, sie hatte ihn geweckt.
    Etwas geschah, das den HERRN beunruhigte.
    Er blickte in den Nachthimmel – der Mond war schon untergegangen, doch die funkelnde Pracht der dicht an dicht stehenden Sterne tauchte das Firmament in helles Licht.
    Gauko’on entdeckte das Tor des Winters über dem Horizont.
    Der Rote Planet stand knapp über den Schwellensternen des Sternbilds. Nach den Überlieferungen der Anangu bedeutete diese Konstellation Veränderung und Kampf.
    Gauko’on wandte sich nach den anderen beiden um. Einer warf alten Warankot in die Flammen und blies in die Glut. Der andere schenkte Wasser aus einem Krug in drei Becher.
    Gauko’on machte kehrt und ging zurück an die Feuerstelle.
    Seit dem letzten Vollmond wachten sie oft hier oben, Gauko’on und die anderen beiden Schamanen der Anangu.
    Trotz des in den Nächten kühlen Windes war es hier, auf dem Uluru, wärmer als in den Höhlen seines Inneren. Vor allem aber hielten sie von hier oben aus nach dem Luftschiff Ausschau. Es musste jeden Tag zurückkehren.
    Gauko’on setzte sich zu den anderen beiden Greisen ans Feuer. Einer reichte ihm einen Becher mit Wasser, der andere schloss die Augen und begann seinen Oberkörper hin und her zu wiegen. Der Flammenschein des Feuers tanzte auf seinem Gesicht. »Ist die Schlacht schon geschlagen?«, fragte er. »Ist der große Kampf entschieden?«
    »Nein«, sagte Gauko’on. Sein Ananguname bedeutete: Den die Wolken tragen, wohin er will. »Vielleicht hat er noch nicht einmal begonnen.«
    »Wie kann das sein?« Der ihm das Wasser gereicht hatte, deutete mit einer Kopfbewegung nach Norden, wo das Tor des Winters über dem Horizont stand. »Pulsiert der Feind denn noch immer?«
    »Ja.« Gauko’on nickte langsam. »Es ist ein Jammer, aber noch immer erfüllt das Pulsieren seines Geistes den Erdkreis.«
    Er schloss die Augen und lauschte in sich hinein.
    Eine Zeitlang verharrte er so. Der getrocknete Warankot knisterte in den Flammen, der Nachtwind pfiff durch eine Felsspalte, irgendwo unterhalb des Felstisches schrie ein Tier in Todesnot.
    »Sprich zu uns, Ahne«, murmelte Gauko’on schließlich.
    »Sprich, und wir hören!« Auch der, der ihm das Wasser gereicht hatte, schloss die Augen und begann seinen Oberkörper hin und her zu wiegen.
    Gauko’ons Gemurmel ging in undeutliches Geraune über.
    Der Uralte sah Bilder, während er sich der Stimme in seinem Geist hingab. Bilder, die aus den Tiefen des Findergeistes zu ihm strömten. Was ihm der Finder zeigte, und was er mit geschlossenen Augen sah, erschreckte ihn.
    Wie das Herz eines kosmischen Titanen lag der Feind jenseits des Horizonts in einem
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