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198 - Sohn und Dämon

198 - Sohn und Dämon

Titel: 198 - Sohn und Dämon
Autoren: Jo Zybell
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Matthew Drax schreckte hoch und blinzelte. Der Traumschrei klang noch in seinen Ohren nach.
    Verloren! Der Streiter wird uns alle…
    Langsam nur kam er zu sich und sah sich benommen um.
    Zwei Männer, eine Lupa, ein paar Fenster, ein Tisch, und an der linken Schmalseite der ansonsten hölzernen Wand eine gusseiserne Front. Ein Heizkessel, hinter dessen kleinem Sichtfenster ein Feuer brannte. An den Wänden zwei Öllampen.
    Der Streiter…!
    Jemand legte ihm den Arm um die Schulter. »Ganz ruhig, Bruder.« Er sah in ein vertrautes Gesicht: schmal, bleich, energisch. Rote Augen blickten ihn an, besorgte Augen.
    Rulfan. »Schlecht geträumt?« Der Albino reichte ihm einen Becher. »Komm, trink einen Schluck Wasser.«
    Über dem Kartentisch baumelte ein engmaschiges, mit Flaumfedern und Fellresten voll gestopftes Netz. Eine Zwergfledermaus hing an seiner Unterseite.
    Jetzt begriff er, wo er sich befand. Schon seit nunmehr einer Woche; seit sie mit dem Luftschiff vom Wandler aufgebrochen waren. Er nahm den Becher. »Danke.« Er trank. »Geht schon wieder.«
    Er schwebte nicht im All. Und er sah auch nicht den Heimatplaneten der Wandler unter sich. Er war Matthew Drax, geboren am 26. Januar 1980 in Riverside, Kalifornien, Commander der US Air Force…
    Der zweite Mann stand in der Mitte der Kabine am Kartentisch. Er hatte schwarze Haut. »Vous-avez des problèmes, mon ami?«, fragte er.
    »Nein, keine Probleme.« Matt leerte den Becher auf einen Zug. »Ein Albtraum, weiter nichts.« Warum musste dieser schwarze Hüne immer mit dieser albernen rosefarbenen Perücke herumlaufen?
    »Ein Albtraum, o lala!« Der Prinz aus Afra schnalzte mit der Zunge. »Manchmal schlimmer als le réalité!« Die Lupa hockte vor Victorius, wedelte mit dem Schweif und sah erwartungsvoll zu ihm hinauf. Sie hatten sich angefreundet während des Fluges, die schwarze Chira und der schwarze Prinz.
    Ein Albtraum schlimmer als die Wirklichkeit? Matt Drax hätte das nicht so ohne weiteres unterschreiben können. Sein Albtraum war nur matter Abglanz der Realität gewesen. Einer Realität, die ihn eine Woche zuvor am Kraterseebecken und im Inneren des Wandlers überfallen hatte und die er noch immer nicht fassen konnte. So unsagbares Grauen hatte sie in seinem Geist hinterlassen, dass er sie vor sich sah, sobald er die Augen schloss.
    Wie sollte ein einfacher Mensch auch begreifen können, dass es Wesen wie den Wandler gab, die seit Äonen durch den Kosmos streiften? Und dass zumindest ein anderes Wesen existierte, das seit Äonen Jagd auf sie machte: den Streiter!
    Matt hätte sich gewünscht, diese Begegnung im Herzen des Wandlers möglichst schnell vergessen zu können, aber sie hatte sich auf ewig in sein Gedächtnis eingebrannt.
    Victorius ging zum Heizkessel und machte sich an den Armaturen der Dampfmaschine zu schaffen. Chira folgte ihm schweifwedelnd. Sie schien den merkwürdigen Mann mit der rosa Perücke und dem blauen Frack zu mögen.
    Matthew Drax stand auf und streckte sich. »Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Mindestens zwölf Stunden«, sagte Rulfan.
    »Zwölf Stunden…?!« Ungläubig sah Matt Drax den Freund an. Nun ja, eigentlich kein Wunder. Seit dem Aufbruch hatten seine Ruhephasen selten länger als ein, zwei Stunden gedauert.
    Irgendwann forderte der Körper eben die Erholung, die er brauchte.
    Matt drehte sich um und blickte aus dem Gondelfenster.
    Draußen ging die Nacht zu Ende, der neue Morgen dämmerte bereits herauf. Als er sich zum Schlafen auf das Parkett neben die Gondelwand gelegt hatte, war die Sonne gerade im Meer versunken.
    Dann kniff er die Augen zusammen.
    Tief unter dem Luftschiff dehnte sich nicht mehr die unendliche Weite des Meeres aus wie in den letzten zweieinhalb Tagen, sondern flaches Land. Die PARIS schwebte über rötlicher Steppe. Trotz der gerade erst einsetzenden Dämmerung sah er die Konturen von Felsbrocken und kleineren Waldflächen. Am Horizont erhob sich dunkel eine Bergkette. »Sind wir schon über Australien?«, fragte der Mann aus der Vergangenheit.
    »Schon seit Mitternacht«, sagte Rulfan. »Wir nähern uns bereits dem Zentrum des Kontinents.«
    »Wann werden wir den Uluru erreichen?«
    »In höchstens zwei Stunden.« Rulfan wandte sich an den Piloten. »Was meinst du, Victorius?« Der Afrikaner stand stocksteif vor der gusseisernen Tür des Heizkessels und starrte die Flammen dahinter an. Seine Rechte lag reglos auf einem Kurbelrad, seine Linke auf einem Hebel. »Wie lange noch bis zum Uluru,
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