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195 - Verloren im Outback

195 - Verloren im Outback

Titel: 195 - Verloren im Outback
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
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rutschte der junge Mann bäuchlings die Schräge hinunter. Es krachte und staubte, als er durch die Reihen der Toten brach. Knochen flogen davon, Schädel rollten über den Rand und fielen in die Tiefe, wo sie mit dumpfem Geräusch zersplitterten.
    Daa’tan prallte unsanft an die Wand, befreite sich von den unappetitlichen Trümmern und fluchte: »Verdammt! Ich will jetzt auf der Stelle hier raus!«
    Hätte er geahnt, was ihn draußen erwartete, wäre er vorsichtig mit seinen Wünschen gewesen…
    ***
    Aus Aruulas Erinnerungen
    Der Winter nahte mit Riesenschritten. Die ersten Herbststürme fegten über das flache Land, durch das die Horde seit Wochen wanderte.
    Kälte breitete sich aus. Die Tiere zogen sich tiefer in die Wälder zurück. Die Nahrung wurde knapper. Die Freigebigkeit der Bauern ließ nach. Wer von den bewährten Wegen abwich, musste mit Üblem rechnen. Räuber aus der ehemals grünen, nun rotbraunen Tiefebene hefteten sich an die Fersen der fremden Nomaden.
    Nach und nach verschwanden die wenigen der Horde noch verbliebenen Frekkeuscher: Sie wurden in der Nacht von hungrigen Taratzen geholt. Eine der Riesenheuschrecken mussten sie einem gierigen Räuberbaron als Wegezoll abtreten; eine andere brach sich – offenbar geschwächt – den Hals, als sie einen Abhang hinab sprang. Einmal, in einem Waldgebiet, wurde das Wandernde Volk in den Abendstunden von einer Schar bestialisch stinkender Taratzen angegriffen, die vier Männer töteten und eine Frau verschleppten, bevor man sie in die Flucht schlagen konnte.
    Sorban, der Anführer, wollte die Verfolgung aufnehmen, doch Baloor, der Göttersprecher, warf die Knochen aus seinem Lederbeutel und erfuhr von den Mächten des Himmels, dass die Verschleppte längst tot war. Da ihre Familie Baloors Worte anzweifelte, wies dieser Aruula an, nach den Gedanken der Frau zu lauschen.
    Aruula fand keine Spur. Sie empfing nur das satt klingende, mentale Grunzen der Rattenabkömmlinge, das ihr sagte, dass es zwecklos war, noch mehr Leben zu riskieren, um jemanden zu retten, der längst tot war.
    Angesichts der ungünstigen Verhältnisse in dem Wald, in dem der Überfall stattgefunden hatte, zog man nach der Bestattung der Gefallenen weiter.
    »Wir können es nicht riskieren, über Nacht hier zu bleiben.«
    Sorban, hob seine Knollennase in den Wind. »Außerdem habe ich das Gefühl, dass wir hier vor Jahren schon mal waren.«
    Baloor nickte. »Ja, ich habe das gleiche Gefühl.« Er deutete auf das langsam ansteigende Waldgebiet. »Ich glaube, wenn wir diese Richtung nehmen, kommen wir in ein Tal, in dem viel Eisen in die Luft ragt.«
    Aruula hatte keine Ahnung, wovon der Schamane sprach – sie war noch nicht allzu lange bei der Horde –, aber die Augen einiger Umstehender hellten sich auf. Sie schienen zu wissen, was er meinte.
    »Dann weiß ich, wo wir sind.« Sorban nickte. »Auch wenn es elf Winter her ist – so etwas kann man nicht vergessen.«
    Alle schulterten ihr Gepäck und brachen auf.
    Die Nacht war die bisher kälteste des Jahres. Für Aruula, die aus dem hohen Norden stammte und die ersten sechs Lebensjahre in Eis und Schnee verbracht hatte, bevor Menschenhändler sie entführten, war dies kein Problem.
    Kälte machte ihr nichts aus; viel mehr fürchtete sie sich vor Tannenwäldern, die so finster waren, dass das Licht der Sonne den Boden nicht erreichte. In finsteren Wäldern lebten nicht nur wilde Tiere, sondern auch finstere Gesellen, die manchem Raubtier in nichts nachstanden.
    Wie sie während des Nachtmarsches von einer jungen Frau erfuhr, war das Tal hinter diesem Wald – falls sie dort waren, wo Baloor und Sorban vermuteten – nicht nur zivilisiert, sondern auch gastfreundlich: Auf dem Weg, der sie seinerzeit nach Norden geführt hatte, war sie zwar noch ein Kind gewesen, doch sie erinnerte sich genau an den netten Mann, der auf einem Talhügel ein großes befestigtes Anwesen besaß.
    Bei ihm hatte die Horde vor elf Jahren überwintert. Sie hatte allen Verzehr und Brennstoff in den Wäldern des Gutsbesitzers abgearbeitet. Wenn er noch hier lebte, würde er sich gewiss an die Horde erinnern. Vielleicht konnten sie den kommenden Winter auf seinem Gutshof verbringen. Besser als ein monatelanger Marsch durch Schnee und Hunger waren harte Arbeit und ein Dach über dem Kopf allemal.
    Bevor der Morgen graute, musste Sorban den rund dreißig Angehörigen seiner Sippe allerdings gestehen, dass er sich hinsichtlich der Entfernung zu sehr auf seine
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