Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
195 - Verloren im Outback

195 - Verloren im Outback

Titel: 195 - Verloren im Outback
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
Eigenartig sah er aus, der Mann mit den rosafarbenen falschen Haaren, dem blauen Frack und der gelben Hose. Sein Gesicht war schwarz wie die Nacht über Ausala, doch die Hand, die er Daa’tan aus der Gondel unter dem Luftschiff entgegen streckte, schimmerte auf der Innenseite gelblich weiß. Als hätte sich die Farbe abgenutzt.
    Daa’tan war es egal. Der Fremde hätte auch zwei Köpfe und eine Regenbogenhaut haben können. Hauptsache, er ließ ihn nicht im Stich! Das fliegende Schiff hatte den Boden inzwischen verlassen, stieg immer höher. Daa’tan hing an der Gondel, dem Fremden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, die Finger knapp über der Schwelle. Sie wurden feucht, und sie glitten schon ab. Unter ihm brüllten die Anangu ihren Zorn heraus. Speere trommelten gefährlich nahe an die Außenwand der Gondel. Irgendwann würden sie treffen. Es war nur eine Frage der Zeit.
    »Hilf mir!«, keuchte Daa’tan.
    Der Fremde beugte sich vor. »Du hast gut gekämpft«, ächzte er, während er ihn in die Gondel zog. »Bist du ein Franzose?«
    »Nein.« Erleichtert sank der Neunzehnjährige auf den Rücken und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich bin Daa’tan.«
    »Ah – bon«, meinte der Fremde. Er stieg über ihn hinweg, schloss die Tür der Gondel und sicherte sie. »Mein Name ist Victorius.«
    Daa’tan sah sich um. Ein befeuerter Ofen. Ein Tisch, über dem ein Vogelnest hing, mit Stroh und Federn gefüllt. Diverse unbekannte Gegenstände. Und mittendrin: ein Steuerrad! Wie auf einem Piratensegler! Dort begab sich Victorius hin. Er drehte es auf Kurs, prüfte dabei gleichzeitig ein paar runde Dinger, in denen sich Striche bewegten. Der schwarze Mann murmelte etwas von Kesseldruck und Sicherheitsventil, und er klang zufrieden.
    Daa’tan konnte sich nicht erklären, wofür die unbekannten Gegenstände gut waren. Er hatte nicht einmal einen Namen für sie, und er kam sich blöd vor.
    Entschlossen stand er auf, zerrte im Vorbeigehen sein Schwert frei. Er hatte Nuntimor ein wenig zu kraftvoll an Bord geschleudert, bevor er sich selbst rettete, und es steckte in der Holzwand. Schuld an dem übermäßigen Krafteinsatz war Daa’tans Wachstumsschub neulich. Er hatte den bis dahin optisch Zwölfjährigen in einen jungen Mann verwandelt, hoch gewachsen und muskulös. Nur Daa’tans Inneres war mit der äußeren Erscheinung noch nicht ganz im Einklang.
    Sonnenlicht fiel in die Gondel und brachte den Rubin am Schwertgriff zum Funkeln. Rote Punkte tanzten über die Wände. Victorius sah sich erstaunt nach dem Urheber um.
    »Ein schönes Schwert«, lobte er mit Blick auf Nuntimor.
    »Ja, nicht wahr?« Daa’tan lächelte stolz. »Ich habe es aus dem Tempel von Boro’bundu.« [1]
    »Geklaut?«
    »Nein, befreit. Nuntimor ist was Besonderes! Ein Königstöter.«
    »Nuntimor…«, wiederholte Victorius gedehnt. Er stutzte.
    Dann fragte er, mehr zu sich selbst: »Artus?«
    Daa’tan schüttelte den Kopf. »Daa’tan«, verbesserte er.
    Der Afraner lachte. »Ich meinte den König! Es gab mal einen König Artus in Britana, der wurde von einem Schwert getötet, das Nuntius Mortem hieß, Bote des Todes. Der Name Nuntimor klingt auffallend ähnlich. Möglicherweise ist es eine Kurzform.« Er zuckte die Schultern, wandte sich wieder dem Steuerrad zu. »Oder ein Zufall.«
    Stricke hätten Daa’tan nicht stärker fesseln können. Woher hatte Victorius dieses Wissen? Und vor allem: Was wusste er sonst noch?
    »Sprich weiter«, bat der Neunzehnjährige, während er sein Schwert verstaute. Eilig durchquerte er die Gondel. Dabei brachte er ungewollt das über dem Tisch hängende Nest zum Schwingen. Daa’tan fuhr zurück, als statt des erwarteten Vogels ein winziges Ding aufflog. Hatte sich eine Barnanyin ins Luftschiff verirrt? Er war mit den gefährlichen Wildbienen neulich erst in Kontakt gekommen, und wusste, dass ihr Gift töten konnte. Schon schwirrte das Biest auf Victorius zu, der ahnungslos am Steuerrad stand.
    Es wäre eine Katastrophe, wenn er gestochen würde, dachte Daa’tan. Da trifft man einmal jemanden, der etwas über Nuntimor weiß, und dann…
    Er schnellte vor und klatschte die Hände zusammen.
    »Par bleu! Qu’est-ce que tu as faitlà, imbécile?«, schrie Victorius entsetzt, und obwohl die Worte Daa’tan fremd waren, blieb ihr Sinn ihm nicht verborgen.
    »Was soll ich schon gemacht haben? Da war ein Insekt, und ich wollte dich vor ihm schützen«, sagte er. Daa’tan blickte auf seine leeren Handflächen, dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher