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180 - Die Enkel der Astronauten

180 - Die Enkel der Astronauten

Titel: 180 - Die Enkel der Astronauten
Autoren: Jo Zybell und Mia Zorn
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Geräuschen, die seine Stimme verursachte. Wenn Adam es endlich geschafft hatte, in seinen Körper zurückzukehren, brannte dieser unter den Elektroden, und sein Hirn verkrampfte sich zu tausend Knoten.
    Wochen später führte man ihn zum Dienst habenden Arzt der Station. Dieser blätterte lange in Adams Unterlagen, schaute ihm mit einer Lampe in die Pupillen und sagte schließlich zum Pfleger: »Gut. Vorläufig wird er in der K1 untergebracht!«
    Station K1 war das Kellergewölbe der Victom-Anstalten und der Vorhof zur Hölle. Adam nannte sie
    »das Verlies«. Unzählige Gänge mit kleinen Zellen, die Adam an die Stallboxen auf der Farm seiner Adoptiveltern erinnerten. Männer, Frauen und Kinder lagen oder saßen auf grauen Schlafpritschen. Ihre Körper wiegten sich hin und her wie Grashalme im Wind. Keine Tische, keine Stühle, nur diese viehischen Pritschen.
    Durch wenige vergitterte Lichtluken dicht unter der Decke drang ein wenig Tageslicht in das Verlies. Auf den Gängen starrten schmale Gestalten aus leeren Augen vor sich hin. Einige begannen zu schreien, als Adam zum ersten Mal an ihnen vorbeigeführt wurde. Andere drehten sich um und schlugen ihre Stirn im Minutentakt gegen die rauen Steine der ungekalkten Wände. Vorbei an den Waschräumen hatte man ihn damals in einen Schlafsaal mit etwa vierzig Matratzen gebracht. Er erhielt Napf und Becher aus Blech, Plastikbesteck, Handtuch und Bettwäsche.
    Adam fand schnell heraus, dass hier unten ausschließlich Anangu waren… Aborigines , wie die Weißen sie nannten. Es herrschte eine gespenstische Atmosphäre. Kaum jemand sprach etwas. Man verständigte sich mit Gesten oder flüsternd in gebrochenem Englisch. Wer sich auffällig verhielt, kam unter Verschluss. Das bedeutete: Dunkelzellen hinter Stahltüren. Zweimal am Tag wurde Essen und Wasser ausgeteilt.
    Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Viele wurden nach einigen Tagen entlassen oder verlegt. Aber ihn schien man vergessen zu haben.
    Bis zum heutigen Tag.
    Adam war inzwischen in den Waschräumen angekommen. Er ließ sich kaltes Wasser über den Nacken laufen, drehte den Wasserhahn zu und lauschte.
    Niemand in der Nähe. Er bückte sich, um unter dem Waschbecken eine Kachel zu lösen. Dahinter verbarg sich, in einer kleinen Tüte, sein persönliches Tablettendepot. Während er zwei Schmerztabletten mit einer Handvoll Wasser hinunterwürgte, hörte er hinter sich eine Stimme.
    Blitzartig drehte er sich um. Aber da war niemand.
    Nervös drückte er die Kachel wieder in die Wand und beschloss spontan, jetzt schon den Schacht aufzusuchen.
    Bo und er hatten ihn vor einigen Monaten entdeckt.
    Bo war vor etwa einem halben Jahr als neuer Pfleger zum Personal der K1 gestoßen. Adam hatte beobachtet, wie er jedes Mal, bevor er das Verlies betrat, Zeichen in die Luft malte und danach das Medaillon an seiner Brust küsste. Eines Tages sagte Adam ihm, er dürfe heute Abend nicht zu seinem Bruder gehen, weil seine Frau ihn brauche. Bo hatte ihn erstaunt angeschaut. Er fragte nicht, woher Adam wusste, was er an diesem Abend vorhatte. Er wollte nur wissen, warum seine Frau ihn brauche. Adam antwortete: »Sie wird plötzlich Wehen bekommen. Es ist doch ihr erstes Kind. Alles wird sehr schnell gehen. Am besten verbringst du den Abend mit ihr in der Nähe eines Krankenhauses.«
    Wortlos drehte sich Bo um und ging. »Morgen hast du einen Sohn!«, rief Adam ihm noch nach. Alles ereignete sich genau so, wie Adam es vorausgesagt hatte. Bo ließ sich von Adam noch oft die Zukunft voraussagen. Im Gegenzug versorgte er Adam mit einem Grundriss des Gebäudes. Auf dem Plan entdeckten sie den Fluchtweg.
    Obwohl Adam in all den Monaten verzweifelt jede Ecke des Kellergewölbes untersucht hatte, war ihm der vergitterte Schacht entgangen. Er befand sich in der Nische eines toten Seitengangs hinter den Waschräumen.
    Adam stand jetzt am Anfang dieses toten Seitengangs und wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Bo hatte sich heute Morgen von Adam verabschiedet. Ein Rucksack mit etwas Geld, Kleidern, Proviant und einer Taschenlampe steckte hinter dem inzwischen gelösten Gitter. Außerdem hatte Bo von außen ein Seil befestigt, an dem Adam zur etwa drei Meter hohen Öffnung gelangen konnte. Hier brauchte er nur noch eine lose Holzplatte zur Seite zu schieben, dann würde die ungesicherte Lieferanteneinfahrt der Anstalt vor ihm liegen. Dort sollte, wie jeden Morgen, das Auto der Wäscherei mit geöffnetem Laderaum stehen.
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