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180 - Die Enkel der Astronauten

180 - Die Enkel der Astronauten

Titel: 180 - Die Enkel der Astronauten
Autoren: Jo Zybell und Mia Zorn
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Adam würde hinein springen, sich hinter den Säcken verstecken und sich in die Freiheit fahren lassen.
    Ein scharrendes Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Es kam aus dem Gang zu seiner Linken. Hier waren die Dunkelzellen. Adam lauschte konzentriert in den ebenfalls unbeleuchteten Gang. Obwohl alles still und keine Bewegung zu erkennen war, spürte er, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.
    »Sohn der Kopftaucherin! Komm zu mir, ich habe mir dir zu reden!«
    Erst glaubte Adam, er wäre schon wieder in einem seiner Wachträume gelandet, doch dann hörte er erneut dieses Scharren. Ein schwacher Lichtstrahl erschien in der Mitte des Ganges. Wie ein Schlafwandler bewegte sich Adam vorwärts. Er berührte kalten Stahl und öffnete die angelehnte Tür.
    Kerzenlicht erfüllte die Zelle. Auf einer zerschlissenen Matratze lag ein alter Anangu – nackt bis auf einen Gürtel aus Schafsleder, an dem ein halbes Dutzend kleiner Säckchen befestigt waren. Mit einer schwachen Armbewegung bedeutete er Adam, sich zu setzen. Der Alte war bis auf die Knochen abgemagert, sein Gesicht wirkte eingefallen. Fieber schüttelte seinen Körper.
    »Ja, ich sterbe! Und du, Sohn der Kopftaucherin, wirst meinen Platz einnehmen!« Die Stimme des Alten hallte von den Wänden.
    Er sprach den Dialekt des Stammes, der am Uluru lebte.
    Adam hatte ihn das letzte Mal gehört, als sein Vater ihn den Großeltern fortnahm. Er hasste diese Erinnerungen.
    Auch wollte er nicht den Platz irgendeines sterbenden Schamanen einnehmen. Er würde dem Alten den Gefallen tun und das Spiel ein Weilchen mitspielen.
    Danach hatte er seine eigenen Pläne.
    »Vergiss deine Pläne, kleiner Bruder. Höre, was ich dir zu sagen habe.« Die Augen des Alten glühten, als er Adam am Hemd packte und ihn zu sich herunter zog.
    »Noch dreizehn Jahre, dann wird die Welt brennen. Ein weißer Mann und eine dunkle Frau werden vom Himmel fallen und Leben mitbringen. Nehmt den Mann mit in die Rote Kröte. Die Frau und das Leben bringt zum Uluru. Sonst kommt der Tod zu euch.« Der Alte ließ Adam los und begann leise zu singen.
    Adam war wie erstarrt. Sein Körper fühlte sich taub an.
    Grelle Lichter tobten durch seinen Kopf. Er sah das Maul der Riesenkröte und den Feuermond aus seinen Träumen. Er hörte das Schreien seiner Mutter, während sie ihn aus ihrem Körper presste, roch den Rum aus dem Mund seines Vaters, als dieser ihn in die Arme der brennenden Adoptivmutter legte.
    Die Wände der Zelle verschwammen. In weiter Ferne hörte Adam das Summen des Schamanen. Sie wanderten gemeinsam durch eine rote Wüste, bis eine Nebelwand ihnen den Weg versperrte. Der Alte zog einen scharfkantigen Stein aus einem seiner Gürtelsäckchen und begann auf Adams Brust zu zeichnen. Schließlich warf er den Stein in die Nebelwand. Mit einem dumpfen Grollen zogen sich die Nebelschwaden zurück. Der Uluru erhob sich majestätisch zu ihren Füßen. Der Schamane trat vor Adam. »Bist du bereit?«
    »Ich bin bereit!«, rief Adam. Er kniete nieder und öffnete seinen Mund.
    Pfeilschnell schlug die Faust des Alten zu. Adam sah seinen Schneidezahn in den Sand fallen.
    »Dein neuer Name lautet Auge des Ahnen !«, hörte Adam den Schamanen rufen.
    Das Blut in seinem Mund schmeckte süß. Er spürte keinen Schmerz, nur unendliche Kraft.
    ***
    Uluru, Juni 2000
    Am Fuße des Uluru streifte ein einsamer Dingo umher.
    Witternd hob er seine Nase. Der Geruch nach Feuer machte ihn nervös. Zögernd schlich er zur nächsten Felsenbucht. Menschenstimmen. Sie waren zu zweit.
    Hinter einem Felsblock duckte er sich tief ins Gras. Er äugte in die Richtung, aus der die Stimmen kamen.
    Die Wächter saßen um ein Feuer. Der Jüngere von ihnen legte Reisig nach. Das Feuer fraß es prasselnd, Flammen züngelten nach oben. »Wer wird bei IHM wachen, wenn das große Feuer uns verschlingt?«, fragte er beunruhigt.
    Der andere hob den Kopf. Sein Gesicht sah aus wie gegerbtes Leder. Schlohweißes Haar hing über seine nackten Schultern. »Nur ruhig, es ist für alles gesorgt.«
    Der Alte blickte ins Feuer, und der Jüngere merkte, dass er konzentriert lauschte. Plötzlich griff er nach seinem Speer und fuhr herum. Ein Dingo lauerte zwischen den Felsen. Das Tier zog den Schwanz ein und versuchte einen Sprung zur Seite. Aber der Speer des Mannes war schneller und traf ihn mitten ins Herz.
    »So wird das Feuer aus dem Himmel uns treffen?«, fragte der Jüngere erschrocken.
    »So wird es auch uns Anangu treffen.« Der Ältere stand
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