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180 - Die Enkel der Astronauten

180 - Die Enkel der Astronauten

Titel: 180 - Die Enkel der Astronauten
Autoren: Jo Zybell und Mia Zorn
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dunklen, erdfarbenen Rot. Der Stoff erinnerte auf den ersten Blick an engmaschig gewebte Wolle, und auf den zweiten an weiches, geflochtenes Leder. Der Anzug passte sich den Körperformen des Mannes an; beängstigend perfekt tat er das.
    Der Mann stand in der flachen Uferböschung eines Stromes. Er blickte über die sich träge dahin wälzenden Fluten. Etwas trieb dort auf dem Wasser. Oder nein: Etwas bewegte sich dort auf die Mitte des Stromes zu, und zwar ziemlich zielstrebig. Etwas Weißgraues, Großes, Unförmiges. Eine Schmutzblase? Ein Stück geschmolzenen Kunststoffs? Der Bauch eines großen toten Fisches?
    Nichts von alledem. Eine Qualle.
    In ihr saßen zwei intelligente Wesen. Sie gehörten zu einem Volk, das sich auf die Erzeugung solcher Transportquallen verstand. »Hydriten« nannten sie sich.
    In manchen Küstenregionen der postapokalyptischen Erde nannten die Eingeborenen sie furchtsam
    »Fishmanta’kan«. Es gab auch Leute, die bezeichneten sie als »Fischmenschen«. Wenn der Mann in der Uferböschung an sie dachte, nannte er sie in Gedanken manchmal »Freunde«.
    Die Qualle wurde kleiner und kleiner – sie sank. Schon mehr als zweihundert Meter trennten sie und den Mann in der Uferböschung. Als sie die Mitte des Stromes erreichte, war sie nur noch ein weißlicher Fleck in braungrünen Fluten. Aufgeschäumtes Wasser bedeckte sie schließlich, und dann trugen die Wogen einen Teppich aus Blasen Richtung Meer davon; dorthin zurück, woher die Qualle den Mann gebracht hatte, der jetzt am Ufer des Stromes stand.
    Der Mann bückte sich nach einem flachen Rucksack aus Fischleder, der gegen seine Stiefel lehnte und neben Trinkwasser und Proviant auch einen zwanzig Zentimeter langen, daumendicken und keulenartigen Stab enthielt – neben dem Anzug sein wertvollster Besitz in jenen Tagen.
    Der Mann drehte sich um und stieg die Uferböschung hinauf. Dort blieb er stehen und blickte über das Land.
    Gelbliches Gras bedeckte eine weite Ebene. Niedrige, vom Wind gekrümmte Laubbäume wuchsen da und dort. Am Horizont erhob sich eine Hügelkette. Ein roter Schimmer lag über allem. Die Wolken hingen tief und schimmerten dunkel. Er blickte nach Nordwesten.
    Irgendwo in dieser Richtung, etwa zweitausend Kilometer nordöstlich der Hügelkette, musste ein großer roter Monolith liegen. Der Uluru. Sein Ziel.
    Dreihundert oder vierhundert Schritte entfernt bewegte sich etwas zwischen den Bäumen. Aufrecht gehende Gestalten. Sie kamen näher! Der Mann zog die blonden Brauen hoch. Er hätte nicht erwartet, so schnell auf Menschen zu treffen. Umso besser: Er war auf die Hilfe von Menschen angewiesen, wenn er sein Ziel erreichen wollte.
    Der Mann schwang den Rucksack über seine Schultern und schnallte ihn fest. Er klopfte auf seine Gurttasche. Sie enthielt einen kleinen Speicherkristall, ein Feuerzeug, Verbandsmaterial und ein Taschenmesser mit einem kleinen Werkzeugsatz.
    Die Augen des Mannes richteten sich auf die näher kommenden Gestalten. Wer je in diese blaugrünen Augen blickte, den beschlich eine leise Ahnung davon, dass dieser Mann viel gesehen haben musste. Vielleicht zu viel. Die Augen des Mannes waren älter als sein Gesicht. Viel älter.
    Der Mann hieß Matthew Drax.
    Er hielt es für richtig, den Menschen dort zwischen den Bäumen entgegenzugehen. Sieben zählte er inzwischen.
    Matt Drax machte sich auf den Weg. Er ahnte, dass es ein langer und steiniger Weg werden würde. Wie lang und wie steinig, wusste er nicht. Und das war gut so.
    ***
    Sydney, Mai 1997
    Die Felsformation, die eben noch vor ihm in den Himmel geragt hatte, war verschwunden. Stattdessen umgaben ihn Sanddünen, die sich wie Schlangen langsam aber stetig auf ihn zu bewegten. Adam rannte los. Ein heißer Wind trieb ihm Tränen in die Augen. Mit einem Sprung entwich er den Dünen, die in seinem Rücken wie Riesenwellen zusammenschlugen. Schwaden aus rotem Staub versperrten seinen Blick. Schemenhaft tauchte die Gestalt eines Mannes auf. Eine Weile stand er wie ein Stein und beobachtete Adam. Dann näherte er sich mit merkwürdigen Bewegungen. Einige Meter vor ihm blieb er stehen. Seine Haut war mit getrockneter Erde überzogen. Entlang seiner linken Körperhälfte brach sie auf, als er den Speer in die Luft reckte.
    Adam wollte aufspringen, aber sein Körper schien gelähmt. Er sah, wie der Mann den Mund öffnete. Ein Rauschen erfüllte die Luft. Es klang, als ob tausend Sittiche über ihren Köpfe kreisen würden. »Waranja ulurey! Lern
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