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1721 - Utiekks Gesandte

Titel: 1721 - Utiekks Gesandte
Autoren: Unbekannt
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Häuser besaßen keine Numerierung. Er irrte eine ganze Weile umher, ohne das richtige Gebäude auch nur von weitem zu sehen - was angesichts der niedrigen Dächer und engen Wege auch gar nicht möglich gewesen wäre.
    Sein gelbes Lehrergewand erregte sehr viel Aufmerksamkeit. Die Leute wichen respektvoll beiseite, wo immer er sich blicken ließ. Manche blockierten allerdings seinen Weg und erbaten Semiodds Segen. Die Barrayd aus der Schule Utiekks genossen einen Ruf als mächtige Glücksbringer.
    Tuschelnde Leute überall. In den Türen dieser Häuser, hinter meinem Rücken. Sie wissen es genau. Ein Kind wurde geboren, hier im äußeren Städtekreis. Eine Immune, Dienerin des Volkes und zugleich sein wichtigstes Mitglied.
    Semiodd brauchte gut zwei Stunden, bis er durch ein unüberschaubares Hüttenmeer ans Ziel gefunden hatte. Er baute sich vor der Tür auf und legte seine Hand auf den Besucherkontakt.
    Plötzlich stand ein männlicher Barrayd in der Tür. Die Zeichnung seines Gesichtes wirkte verzerrt vor Schmerz. Er war ein sehr kleiner Mann.
    „Mein Name ist Semiodd", sagte der Lehrer. „Ich suche nach Ouidane."
    „Ja... Du hast sie gefunden."
    „Bist du ihr Vater?"
    „Richtig. Ich heiße Herth."
    „Dann laß mich bitte ein."
    Im Inneren begrüßten ihn zwei Frauen und ein weiterer Mann, der allerdings größer als Herth war. Auch diese drei strahlten gedrückte Stimmung aus.
    Semiodd wunderte sich sehr, weil die Geburt eines immunen Kindes Freude in aller Häuser brachte; von den sonstigen Vorteilen ganz zu schweigen. Eine Barrayd-Familie mit immunem Kind brauchte für seine Nahrung weder zu arbeiten noch zu zahlen. Der Segen Utiekks war ihr gewiß, was natürlich am schwersten wog.
    Ein sonderbarer, bitterer Geruch hing in der Luft. Semiodd öffnete am Hals eine Klappe des Kombiorgans und schnüffelte mißtrauisch.
    „Was ist geschehen?" fragte er.
    Herth schaute zu Boden. „Die Mutter des Kindes ist soeben gestorben.
    Utiekk hat ihr den Segen versagt. Deshalb wird Utiekk auch uns anderen keinen Segen gewähren. Wir haben nichts verbrochen, aber wir werden bestraft. Aus welchem Grund?"
    Der Lehrer verkrampfte innerlich, als er die Geschichte hörte. So etwas dürfte nicht sein. Es ist... falsch. Er brachte es jedoch fertig, sich nichts anmerken zu lassen.
    „Ich kenne den Grund nicht", antwortete Semiodd. „Vielleicht gibt es keinen. Bitte zeigt mir das Kind, bevor wir darüber sprechen."
    „Folge mir."
    Herth führte ihn direkt in das Zimmer, aus dem der bittere Geruch drang. Im Bett lag zugedeckt die Leiche der Mutter, die ebenso schnell verfiel wie die des Suchers Moád. In Wahrheit jedoch interessierte er sich für das kleine, unkontrolliert sich regende Bündel, das unbeaufsichtigt daneben lag; wahrscheinlich nicht einmal gefüttert.
    Semiodd bedachte Herth mit einem strafenden Blick.
    Ouidane. Eine von bis zu fünfzig, die pro Zeitalter geboren werden.
    Von heute an wird dir nichts geschehen, weil ich bei dir bin.
    „Schafft die Leiche fort!" befahl der Lehrer. „Ich werde gemeinsam mit dem Kind in diesem Zimmer wohnen."
    „Ich hätte es lieber", versetzte Herth feindselig, „wenn du verschwinden würdest. Bevor noch mehr Unheil über diesen Haushalt kommt." Semiodd ignorierte die Bitte. „Unsinn!" sagte er. „Das Glück kehrt so sicher zurück, wie am nächsten Tag die Sonnen aufgehen."
    Ein immunes Kind sollte in dem Haus aufwachsen, in dem es geboren war; so lehrten es die Sachverständigen der Schule Utiekk. Und erst, wenn sich im Alter von drei Yolmor-Jahren der Stoffwechsel zu verlangsamen begann, wenn das Kind sich ohne Hilfe nicht mehr ernähren und bewegen konnte, dann würde es in die Schule gebracht.
     
    *
     
    Semiodd hauste ein Jahr lang in der Trabantenstadt am Rande von Zhanth. Herth und die anderen Barrayd des Haushalts legten allmählich ihre Scheu vor dem gelbgewandeten Lehrer ab. Im Alltagsleben der Trabantenstadt war nicht Semiodd der Überlegene, sondern sie waren es. Die prophezeiten Vergünstigungen trafen allesamt ein. Es wurde ein wohlhabendes Haus, in dem sie wohnten, und Herth legte sich bald eine zweite Lebensgefährtin zu, die den Verlust der ersten vergessen ließ.
    Dem Kind fehlte es an nichts. Einmal alle drei Tage schauten die besten Mediziner von Zhanth, der Millionenjährigen, vorbei, erteilten kluge Ratschläge, stellten aber nichts außer der völligen Gesundheit des Kindes fest.
    Ouidane entwickelte sich im normalen Rahmen. So war es immer, bis zum
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