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153 - Das Ende der Technos

153 - Das Ende der Technos

Titel: 153 - Das Ende der Technos
Autoren: Michael M. Thurner
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Kai-sheks Truppen, binnen eines Jahres mehr als zehntausend Kilometer quer durch China geflüchtet und hatte sich den Realitäten des riesigen Landes stellen müssen. Von mehr als neunzigtausend Soldaten, die gemeinsam mit ihm losgezogen waren, erreichten gerade mal zwanzigtausend ihr Ziel Yan’an.
    Alle anderen waren durch Hunger, Krankheit und Erschöpfung gestorben oder im Kampf gefallen.
    Uns erging es ähnlich, nur waren die Dimensionen wesentlich überschaubarer.
    Vierunddreißig Frauen und Männer marschierten in Salisbury los. Unsere Lebensmittelvorräte waren so wie die gesamte Ausrüstung ausreichend. Die primitiven Revolver und Maschinengewehre sowie mehrere Dutzend Handgranaten sorgten für ein Gefühl der Sicherheit. Die Disziplin war angesichts der Umstände hervorragend.
    Zumindest, bis Anne Karfreitag tot umfiel.
    Bis zu diesem Moment hatten wir geglaubt, alle Schwierigkeiten hinter uns gelassen zu haben. Gedanken an den Tod hatten wir – schon aus Selbstschutz – weit von uns geschoben. Wir fühlten uns stark, den Herausforderungen an der Erdoberfläche gewachsen.
    Natürlich wussten wir um die Probleme mit der Immunität.
    Aber niemand wollte glauben, dass es einen selbst erwischen könnte.
    Wir begruben Anne, und dann Timo Carnigle, und dann die sechzehnjährige Tonto Morrissey.
    Irgendwann hörte ich auf, die Toten zu zählen. Stattdessen behielt ich die immer kleiner werdende Zahl der Überlebenden im Kopf.
    Nach dem vierten Tag waren wir dreiundzwanzig, am fünften achtzehn, am sechsten noch vierzehn. Wertvolle Ausrüstung, die wir nicht mehr mitschleppen konnten oder brauchten, wurde eingegraben und der Ort auf dem Kartenmaterial verzeichnet.
    Tags darauf, als wir die ehemaligen Vororte Londons erreichten, starb niemand mehr und wir glaubten diesen Albtraum endlich hinter uns zu haben. Doch die Ernüchterung nach der Nachtruhe war groß. Zwei junge Männer, die ich stets zu den kräftigsten gezählt hatte, wachten nicht mehr auf.
    Wie kommt es, dass ausgerechnet wir Alten, also Maeve McLaird, Sarah Kucholsky und ich, den Marsch überlebten?
    Alle waren wir weit über hundert Jahre alt und nicht mehr so gut in Form.
    Doch das Schicksal wollte uns nicht haben. Es griff stattdessen zu den vermeintlich Stärkeren, Gesünderen, Jüngeren.
    Am zehnten Tag gelangten wir in die unmittelbare Nähe der Londoner Community. Und immer noch war unser Leiden nicht zu Ende…
    ***
    Der zehnte Tag
    Eve stolperte wie durch einen bösen Tagtraum, gefangen in Fetzen einander überschneidender Wirklichkeiten, von denen manche echt und manche Einbildung sein mochten.
    Irgendein Instinkt gab ihr die Richtung vor. Als riefe sie das Ziel, als verlangte die große Ruinenstadt London, dass sich dort ihr Schicksal erfüllte.
    Sie trank aus Pfützen und aß das, was krabbelte, nicht zu groß war und sich nicht wehren konnte.
    Was habe ich falsch gemacht?, war die Kernfrage, die sie vorwärts trieb und irgendwie am Leben erhielt. Wenn sie nun stehen blieb und einfach das Atmen vergaß, wie es möglicherweise Mboto getan hatte, würde sie auf diese eine zentrale Frage niemals Antwort bekommen.
    London war längst erreicht, als sie erstmals auf Spuren anderer menschlicher Wesen stieß.
    Es war nicht leicht, das Lager der hiesigen Lords zu finden.
    Gut abgeschirmt war es, lag inmitten eines großen Hofes, der von dicken Eichen beherrscht wurde und möglicherweise einmal zu einer Schule gehört hatte.
    »Was habe ich falsch gemacht?«, fragte sie den erstbesten Mann, dem sie begegnete.
    Er lachte sie aus. Besser gesagt: Die Barbarin lachte. Unter ihrer vor Schmutz starrenden Bekleidung war kaum das Geschlecht zu erkennen.
    »Welchen Fehler habe ich begangen?«, fragte Eve erneut, packte die Frau am Fellkragen, wollte die Wahrheit aus ihr herausschütteln.
    Die Barbarin knurrte mit gefletschten Zähnen, schüttelte Eve ab wie ein lästiges Insekt und trat ihr gegen den Kopf, dass ihr schwarz vor Augen wurde.
    ***
    Von Aggression getragener Gesang und Geschrei weckten Eve Neuf-Deville. Sie lag, von lianenartigen Gewächsen gefesselt, auf dem kalten Boden.
    Es war Nacht. Die Sterne über ihr funkelten und glitzerten.
    Rechts, vor einem hell lodernden Feuer, sprangen Lords auf und ab. Sie soffen, tanzten, schrien, benahmen sich wie Tiere. An einem Spieß drehte sich Fleisch, wurde von einer fetten Gestalt immer wieder mit Biir bespritzt.
    Das lange, schlanke Bein einer Frau.
    Eve fühlte sich wie in Watte gepackt. Es war nicht
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