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153 - Das Ende der Technos

153 - Das Ende der Technos

Titel: 153 - Das Ende der Technos
Autoren: Michael M. Thurner
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umzublicken.
    Unglaublich. Sus und Linus’ Psychose hatte derart an Kraft gewonnen, dass sie die Wirklichkeit ersetzte. Fleisch gewordene Phantasien – wer hätte das gedacht?!
    Nach einer Weile wird der ganze Zauber nachlassen, tröstete sich Eve. Wir müssen bloß ein wenig warten. Sie kommen zurück.
    Sie war gesund. Ganz sicher, sie wusste es. Nur mit allen anderen stimmte etwas nicht.
    ***
    »Komm schon, du gestörtes Weib!«, fuhr Pat McGonnagle sie an. »Wir können nicht länger hier bleiben. Wenn Linus die Wahrheit gesagt hat, sind wir in zwei Tagen in London.«
    Wenn er die Wahrheit gesagt hatte. Darauf kam es an. Wer wusste schon, wann ein Verrückter log und wann nicht?
    »Wo is Mboto, verdammt noch mal?«, fluchte Pat. »Kann man euch denn keine Sekunde aus den Augen lassen? Ich sollt mich wirklich allein auf den Weg machen.«
    Ja, wo war Mboto? Eve war es nicht aufgefallen, dass sich der alte Mann entfernt hatte.
    »Da isser«, sagte Pat nach einer Weile, hielt eine Hand gegen die bereits hoch stehende Sonne schützend an die Stirn und deutete zwischen zwei knapp beieinander stehende Ruinenwände.
    Dort saß Mboto. Aufrecht, mit geradem Oberkörper, an die Wand gelehnt. In diesem Moment sah man ihm sein Alter nicht an. Die Gesichtszüge waren faltenlos und wirkten vollkommen entspannt.
    »Komm schon, Alter!«, rief ihm Pat zu, während sie sich näherten.
    Keine Reaktion.
    »Jetzt mach schon! S’gibt Leute, die haben’s eilig.«
    Sie standen vor ihm. Pat verstummte.
    Er zeichnete ein Kreuz in die Luft – und schloss Mbotos Augen.
    »Er hat’s hinter sich«, sagte er ohne weitere Gefühlsregung.
    »Hätt er uns bloß sein Serum überlassen, das Arschloch.«
    Er drehte sich um, marschierte davon. »Komm, wir geh’n.«
    »Warte.« Es war wohl vergeudete Mühe, dem Soldaten Gefühlskälte vorzuwerfen. Sein Weltbild war derart eng und eingeschränkt, dass er mit Sicherheit nicht verstehen würde, was sie noch bei Mboto wollte. Eve ignorierte ihn daher und betrachtete den Alten. Wie er da saß. So friedlich, so ruhig. Als wäre der Tod eine Erlösung für ihn gewesen.
    Woran war er gestorben? An irgendeiner Infektion, nachdem das Serum nicht mehr durch seinen Blutbahnen gekreist war?
    An Herzstillstand? Oder hatte er einfach aufgehört zu atmen?
    Li, seine Frau und sein Lebensinhalt, war ihm verloren gegangen. Von diesem Moment an hatte er nur noch auf den Tod gewartet – und ihn schließlich mit offenen Armen willkommen geheißen.
    Was für ein angenehmer Gedanke inmitten dieser zerstörten, müden, alten Welt.
    »Kommste jetzt?«, fragte der Soldat ungeduldig.
    »Wir sollten ihn begraben, Pat.«
    »Drauf geschissen!« Er spuckte verächtlich aus. »Das hat er sich nich verdient, und Zeit möchte ich auch keine mehr verlier’n.«
    Eve schloss die Augen. Sie spürte, wie ihr die Kontrolle entglitt. Nicht nur über die anderen, sondern auch über sich selbst.
    Su und Linus hatten sich aus dem Staub gemacht. Li und Mboto ebenfalls; auf eine andere Art und Weise. Pat würde sich von ihr nichts mehr sagen lassen.
    Lange Zeit hatte sie die Gruppe im Gleichgewicht gehalten und dafür gesorgt, dass es nur minimale Reibereien gab.
    Stumm schüttelte sie den Kopf. Wo war der Fehler? Was hatte sie falsch gemacht? Es lag doch nicht an ihr.
    »Mach schon!«, forderte Pat sie neuerlich auf. »Ich hab’s satt, immer nur zu warten.«
    »Ich komme«, sagte sie leise und setzte sich in Bewegung.
    »Endlich.« Der Soldat rollte mit den Augen, drehte sich um und marschierte los.
    Eve hob einen Stein vom Boden auf, umfasste den Brocken mit beiden Händen. Pat schritt munter aus, ohne auf sie zu warten, ohne sich umzudrehen.
    Sie schloss zu ihm auf, hob den Fels hoch über den Kopf – und schmetterte ihn mit aller Kraft auf Pats Schädel. Der kräftige Mann stürzte wie ein Sack zu Boden.
    »Es ist nicht meine Schuld«, sagte Eve, ließ den Stein achtlos fallen und ging weiter. Tiefer hinein in die Ruinenstadt.
    Irgendwo hockte sie sich nieder. Zwischen kahlen Wänden, an denen sich knollige Luftwurzeln festklammerten und Ungeziefer umher kroch.
    »Ich brauche dringend eine Selbstanalyse« , murmelte sie mit Tränen in den Augen.
    Sie sehnte sich nach ihrer Couch.
    8.
    Sir Leonard Gabriel:
    Ich erinnerte mich an den langen Marsch des Mao Tse-Tung.
    Einst, in meinem vorherigen Leben in den Tiefen des Bunkers, hatte ich mich eingehend mit dem Leben des Großen Vorsitzenden beschäftigt. Er war, verfolgt von Chiang
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