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153 - Das Ende der Technos

153 - Das Ende der Technos

Titel: 153 - Das Ende der Technos
Autoren: Michael M. Thurner
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nur der Schlag, dessen Nachwirkungen sie spürte. Man musste ihr, während sie bewusstlos gewesen war, ein die Sinne betäubendes Getränk eingeflößt haben. Sie spürte ihren Körper nicht, konnte sich kaum regen. Verzweifelt mühte Eve sich ab, den Kopf zu heben.
    »Mmmh!«, rief sie. Ein Knebel verstopfte ihr den Mund. Sie versuchte die abscheulich schmeckenden Stoffreste auszuspucken.
    »Meerdu!«, [1] schimpfte ein Barbar, der sie missmutig betrachtete. Er schlug ihr ins Gesicht. Offenbar gab er ihr die Schuld, dass er hier auf sie Acht geben musste, während seine Kameraden am großen Feuer ihren Spaß hatten. Er brachte sein Gesicht näher an ihres heran, zeigte seine löchrigen Reihen angespitzter Zähne und knurrte bedrohlich: »Kwaait, caant!«
    Er stank ungeheuerlich, doch sie ignorierte es. Ihre Blicke wanderten immer wieder zu dem Bein am Bratspieß.
    War es ihres? Hatte man ihre Glieder amputiert? O Gott, wenn sie doch nur an sich hinabblicken könnte…
    Unwillkürlich musste Eve lachen. Sie verspürte ungeheuren Hunger. Erstmals seit Tagen, so schien es ihr, war sie wieder bei Verstand. Das Fleisch – es roch so gut…
    Die Barbaren tanzten immer wilder, sprangen durchs Feuer, steigerten sich, aufgeputscht vom Alkohol, in einen wahren Sinnesrausch.
    Ihr Bewacher kam erneut näher. Er nahm einen Schluck aus einem Trinkschlauch. Sein wirr herabhängendes Haar war mit Asche grau gefärbt, sein Blick glasig. Er kräuselte die Nase, schnüffelte an ihrem Oberkörper entlang, riss mit einem Ruck ihr Hemd auseinander.
    »Schöön«, sagte er und grunzte zufrieden, während er nach ihren Brüsten tastete. Nach wie vor spürte sie kaum etwas, sah nur aus den Augenwinkeln, was er mit ihr anstellte. »Schöönes Frouwe«, wiederholte er. Dann hielt er inne. »Was’n das?«
    Misstrauisch begutachtete er ihren Oberkörper. Dann griff er nach dem Serumsbeutel, beschnüffelte ihn.
    Noch hielt die Kanüle nahe ihres Brustbeins, noch tropfte das Serum, bewahrte ihre Gesundheit. »Bitte nicht«, flüsterte Eve.
    Der Lord riss den Beutel mit Gewalt ab und begann am Schlauch zu saugen. Trank das Serum aus und rülpste befriedigt.
    Eve schluchzte ungehemmt, schlug den Kopf von einer Seite zur anderen. Alles war umsonst gewesen, alles. Sie hätte genauso gut in Salisbury bleiben und dort auf den Tod warten können.
    Eve blickte zur Seite, sah ins Lagerfeuer. Schaltete alle Gedanken an den Barbaren aus. Sollte er doch mit ihr machen, was er wollte. Ihr Leben war ohnehin vorbei.
    Die Flammen knisterten, loderten hell. Gelb und rot. Die Lords stritten sich ums Fleisch.
    Zwei Steine kamen durch die Dunkelheit geflogen, landeten klackernd im Feuer, ohne dass jemand darauf achtete. Nur Eve registrierte es. Seltsam, wie die Wahrnehmung sich erweiterte, wenn man mit dem Leben abschloss…
    Das Lagerfeuer explodierte.
    Eine Flamme, zwanzig oder dreißig Meter hoch, stach in die Nacht, erhellte die Umgebung, gefolgt von einer Druckwelle und dem ohrenbetäubenden Lärm der Explosion.
    Der Barbar vor ihr schützte sie ungewollt, fing alles auf, was an Trümmern, glühenden Scheiten, Steinen und Erdreich umher flog. Er blökte vor Angst, kaum hörbar nach dem Getöse der Detonation.
    Ringsum wurde gestorben. Lediglich einige wenige Lords schafften es, davon zu humpeln oder zu kriechen.
    »Tötet alle bis auf einen!«, übertönte eine Stimme, von der sie nicht gedacht hatte, sie jemals wieder zu hören, das Klingeln in ihren Ohren. »Zeigt kein Erbarmen! Die Zeit der Rücksichtnahme ist endgültig vorbei!«
    Wenige Schüsse zerrissen die Nacht, und allmählich ebbten alle Geräusche ab. Stille, die lediglich vom Knistern einzelner Brandherde unterbrochen wurde, breitete sich in den Ruinen aus.
    »Helft mir!«, ächzte Eve. Sie lag eingeklemmt unter dem Barbaren, dessen warmes Blut auf sie tropfte. »So helft mir doch!«
    Jemand trat von hinten an sie heran. Ein Arm, der in den Resten einer Bunkeruniform steckte, drückte den Lord von ihr herab. Ein Gesicht näherte sich ihr bis auf wenige Zentimeter.
    Der Mann sah sie überrascht und ungläubig an. »Eve! Wie ist das möglich? Wie kommst du hierher?«
    Es war Sir Leonard Gabriel, dessen Gesicht von Blutspritzern gesprenkelt war.
    »Haben sie mich… verstümmelt?«, wimmerte sie, und plötzlich waren die Tränen da. »O Gott, Sir Leonard, ich spüre meinen Körper nicht.«
    »Es ist alles in Ordnung, Kleines.« Rulfans Vater streichelte ihr beruhigend über die Wangen. Sein Blick
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