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153 - Das Ende der Technos

153 - Das Ende der Technos

Titel: 153 - Das Ende der Technos
Autoren: Michael M. Thurner
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verletzt. Ein Hieb mit einer Eisenstange hatte mir das rechte Schlüsselbein zerquetscht. Jede Bewegung schmerzte. Der Knochen würde wohl nie mehr richtig verheilen.
    Ich nehme mich wichtig genug, indem ich sage, dass selbst in dieser Situation vieles, wenn nicht alles von mir abhing. Ich hielt mich irgendwie aufrecht, fand die passenden Worte, vermochte den Lebenswillen unserer klein gewordenen Gruppe am Leben zu erhalten.
    Aber sagte ich schon, dass es noch schlimmer kam?
    Denn wer glaubt, dass unser Leid nach der Schlacht in der Dunkelheit zu Ende war, den muss ich enttäuschen.
    Bluff Cordigan, mein alter Freund, eröffnete die nächste Runde.
    Er wusste, dass er im Sterben lag. Ein Schuss hatte seine Lunge durchfetzt. Kein Chirurg der Welt hätte ihm helfen können. Wir betäubten den Schmerz mit einer Mischung aus Morphium, Rohypnol und hochprozentigem Alkohol. Als wir dachten, dass sein Leiden nun endlich zu Ende sei, richtete er sich noch einmal auf. Röchelnd, nach Luft schnappend, sagte er:
    »Ich will als freier Mann sterben.«
    Er zog sich mit einem Ruck den Serumsbeutel von der Brust, warf ihn von sich. Und starb wenige Minuten später.
    Wir standen um ihn, starrten ihn fassungslos an. Alle, die noch übrig geblieben waren.
    Irgendwer öffnete plötzlich sein Hemd, tat es dem toten Mann gleich. Riss sich seine Lebensader vom Körper.
    Andere folgten seinem Beispiel.
    Ich war schockiert – und fasziniert.
    Was ging hier vor sich?
    War dies eine Massenhysterie? Oder aber jene Zäsur, die unbedingt notwendig war? Eine innere wie äußere Reinigung?
    Die symbolhafte Abtrennung einer letzten Nabelschnur, die uns mit der Bunker-Community Salisbury verband?
    Alle folgten wir Bluff Cordigans Beispiel, einer nach dem anderen. Wohl wissend, dass bestenfalls ein Drittel von uns ausreichend an die von Keimen, Bazillen und Viren verseuchte Umwelt angepasst war, um die nächsten Tage in dieser Welt zu überleben.
    Ich sagte doch, dass es nicht zu Ende war, dass immer noch weitere Steigerungen des Schmerzes folgten.
    Und noch hatten wir die Spitze des Leids nicht erreicht…
    ***
    Der fünfte Tag
    Es war der Tag, an dem alles endete.
    Eve erwachte trotz der zu wenigen Stunden Schlaf mit dem Morgengrauen. Dröge und zermürbt blieb sie liegen und beschäftigte sich mit intensiven Atemübungen, die jedoch ihre bohrenden Kopfschmerzen nicht vertreiben konnten.
    Der Geruch kalten Rauchs hing über der gut geschützten Lagerstätte. Allmählich, so befürchtete sie in einem kurzen Anfall von Sarkasmus, würde sie selbst wie geräucherter Fisch riechen.
    Leise Schritte tapsten wenige Meter an ihr vorbei. Vorsichtig öffnete sie ein Auge, griff währenddessen nach dem Messer, das sie nun stets an ihrem Körper trug.
    Es war Linus, der im Lager seine wenigen Habseligkeiten zusammensammelte. Also war alles in Ordnung, stellte sie erleichtert fest. Der Junge hatte gemeinsam mit seiner Schwester die letzte Nachtwache übernommen.
    Aber halt! Warum packten die beiden Geschwister bereits jetzt ihre Sachen?
    »Was ist los?«, fragte sie leise und richtete ihren Oberkörper auf.
    Mboto, der neben ihr lag, drehte sich unruhig zur Seite. Pat rührte sich nicht.
    Der Junge blieb stehen. Er drehte sich nicht zu ihr um, als er antwortete.
    »Wir müssen gehen«, sagte er.
    »Wohin?« Eve kam vollends auf die Beine. Hier ging etwas vor sich, das einen immer unangenehmer werdenden Beigeschmack hatte. Sie stolperte Linus und Su hinterher, packte beide zugleich an den Oberarmen. »Was verheimlicht ihr mir?«
    Endlich drehte sich Linus um, befreite sich unsanft aus ihrem Griff. Unwirsch erwiderte er: »Wir haben einen Brief hinterlassen. Da steht alles drin.«
    Eves Herz schien auszusetzen, als sie begriff. »Ihr wollt uns verlassen. Ihr denkt, dass ihr alleine besser zurecht kommt, stimmt’s?«
    »Eve, wir…«
    »Stimmt es?«, brüllte sie den Jungen an.
    Linus zuckte zusammen.
    »Seit Tagen bemühe ich mich, uns zusammen zu halten«, platzte es aus ihr heraus. »Ich unternehme alles, damit die Gruppe erhalten bleibt. Habt ihr denn eine Ahnung, was es bedeutet, keine Sekunde die Kontrolle zu verlieren? Und jetzt… jetzt macht ihr alles zunichte? Gerade ihr beide?«
    Sie konnte es nicht fassen. Was hatte sie falsch gemacht, wo hatte sie versagt?
    »Was’n los?«, fragte Pat schlaftrunken.
    »Die beiden wollen abhauen«, beantwortete sie wütend seine Frage.
    »Es ist nicht so, wie du glaubst«, sagte Linus mit sanfter Stimme. »Wir
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