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153 - Das Ende der Technos

153 - Das Ende der Technos

Titel: 153 - Das Ende der Technos
Autoren: Michael M. Thurner
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wollen keineswegs flüchten.« Er richtete seinen Gesichtsverband und betastete dabei vorsichtig seine Nase.
    »Sondern?«
    »Ich erfülle nur meinen Teil eines Handels.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Verdrängung, dachte sie. Er bastelt sich eine eigene Realität zurecht, um sich sein Versagen nicht eingestehen zu müssen.
    »Ich habe über meine Abmachung mit Maddie Kool nicht die ganze Wahrheit gesagt.« Er zuckte mit den Achseln. Hilflos, wie sie meinte.
    »Erzähl weiter«, forderte Eve ihn auf. Vielleicht würden sich seine Lügengespinste in Nichts auflösen, wenn er sich im Netz seiner wahrscheinlich billig zurechtgezimmerten Rechtfertigung verstrickte.
    »Ich bin mit Maddie Kool ein Tauschgeschäft eingegangen.«
    Seine Augen glänzten feucht. »Wir konnten ihm nichts geben, das ihn und seine Leute gereizt hätte. Er war nahe daran, uns allen den Garaus zu machen – als ich ihm anbot, mich selbst als Entgelt für eine sichere Passage durch sein Land einzusetzen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich versprach, zu ihm zurückkehren, nachdem wir sicheres Land erreicht hätten, und bei seiner Horde zu bleiben.« Linus seufzte schwer. »Bei aller Grobheit ist er nicht so dumm, wie man glauben möchte. Maddie Kool will von uns lernen.«
    Eve konnte nicht glauben, was sie da hörte. »Uns? Was ist mit deiner Schwester?«
    Su trat näher. »Wohin Linus geht, dorthin folge ich ihm«, sagte sie trotzig. »Außerdem: Was erwartet uns denn in London? Wahrscheinlich dieselben Probleme wie in Salisbury.«
    Eine seelische Störung, die beide gepackt hatte? Angesichts der nervlichen Anspannung und ihres innigen Verhältnisses kein Wunder. Die zu groß gewordene Belastung, verbunden mit einem überhöhten Ehrenkodex, zwang sie gewissermaßen zu dieser unsinnigen Tat.
    »Hör mir gut zu, Linus«, sagte Eve mit betont ruhiger Stimme. »Du bildest dir das alles nur ein. Maddie Kool legt keinen Wert darauf, dass du zu ihm gehst. Warum hätte er dich denn so schwer verletzen sollen?«
    »Das war eine Art Initiationsritus. Er wollte wissen, ob ich den Schmerz ertrage, ob ich bereit bin, ihre… Sitten anzuerkennen. Wäre ich umgekippt, hätte man uns alle augenblicklich überwältigt.«
    Er wusste auf jedes ihrer Argumente eine in sich logische Antwort. Vielleicht war der Schlag ins Gesicht der Auslöser für all dies gewesen. Linus musste sich seitdem in einer realitätsfernen Welt bewegen. »Denk doch vernünftig«, fuhr Eve fort. »Was sollte Maddie Kool mit euch anfangen? Du und deine Schwester – ihr passt überhaupt nicht zu diesen Barbaren.«
    »Vielleicht willst du ihm das selbst sagen?« Su deutete ans Ende des Ruinenfeldes.
    Ein Mann stand dort. Breitbeinig, mit verschränkten Armen.
    »Das ist lediglich eine Ausgeburt unserer Phantasie«, erwiderte Eve, ohne sich den Hauch eines Zweifels zu erlauben.
    »Eure Schilderungen und Begründungen sind ausreichend, um dieses Trugbild auch in mir zu erzeugen.«
    Diesmal war es Linus, der sie an der Schulter packte. »Eve – bitte komm zu dir. Maddie Kool ist so echt wie alles hier. Du hast wahrscheinlich eine Art Nervenzusammenbruch.«
    »Ich fühle mich so gut wie schon lange nicht mehr.« Sie blieb ruhig, trotz all der Psychosen, die um sie herum lauerten, sie zu ersticken drohten. Sie war hier die einzig Gesunde, sie allein…
    »Also gut«, sagte Eve schließlich so ruhig wie möglich. »Dann bringen wir diese Posse zu Ende. Geht nur zu diesem Phantasieprodukt. Ihr werdet sehen, was passiert.«
    Su und Linus musterten sie mit seltsamen Blicken.
    Umarmten sie schließlich, als handelte es sich tatsächlich um einen Abschied für immer.
    »Moment mal!«, sagte Pat McGonnagle scharf. »Was is mit euren Serumsbeuteln?«
    »Könnt ihr haben«, sagte Linus leichthin. »Wir beide haben uns bereits bei unserer Flucht aus dem Bunker abgeklemmt.« Er zupfte sich den zu drei Vierteln vollen Beutel von der Brust und reichte ihn an Pat weiter. Su tat es ihm gleich und legte das nahezu volle Paket Eve in die Hände.
    Die sind voll-kom-men übergeschnappt, die beiden. Eve zündete sich mit zittrigen Fingern eine Zigarette an. Die letzte.
    »Macht was aus eurer Chance!«, rief der Junge über die Schulter zurück. »Folgt dem alten Pfad, der am nördlichen Ende des Ruinenfelds beginnt. Er führt direkt in die Vororte Londons. Viel Glück!«
    Sie erreichten jene Schimäre, die Maddie Kool so ähnlich sah, unterhielten sich kurz mit ihr. Und marschierten davon, ohne sich noch einmal
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