Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drecksau

Drecksau

Titel: Drecksau
Autoren: Irvine Welsh
Vom Netzwerk:
[Menü]
Prolog
    Der Ärger mit Leuten wie ihm ist, daß sie denken, sie könnten Leute wie mich links liegenlassen. Als wäre ich ein Nichts. Sie begreifen nicht, in was für einer Welt wir heute leben; all diese gequälten Seelen, die lautstark Beachtung und Anerkennung fordern. Er war ein sehr überheblicher junger Mann, sehr von sich eingenommen.
    Nun nicht mehr. Jetzt stöhnt er, Blut quillt dickflüssig aus seinen Kopfwunden, und seine gelblichen, blicklosen Augen wandern unruhig hin und her, suchen verzweifelt Klarheit, irgendeinen Sinn in der Leere, der Finsternis, die ihn umgibt. Muß einsam sein da.
    Jetzt versucht er zu sprechen. Was versucht er mir zu sagen?
    Hilfe. Polis. Krankenhaus.
    Oder war es Hilfe please Krankenhaus? Es ist nicht mehr von Bedeutung, dieses Detail am Rande, denn er wird rapide schwächer: als Destillat menschlicher Existenz bleibt das Betteln nach dem Rettungsdienst.
    Du hast mich beiseite geschoben, Mister. Du hast mich rausgedrängt. Du hast mich für dumm verkauft und zwischen mir und meiner einzigen Liebe alles kaputtgemacht. Ich hab dich früher schon gesehen. Vor langer Zeit, damals lagst du genauso da wie jetzt. Schwarz, zerschunden, sterbend. Damals hat es mich gefreut und heute freut es mich auch.
    Ich greife in die Tragetasche und nehme meinen Klauenhammer heraus. Ein Teil von mir ist anderswo, als ich ihn auf seinen Kopf niedersausen lasse. Er ist wehrlos gegen meine Schläge. Sie hatten ihn gründlich aufgemischt, die anderen.
    Nach zwei fruchtlosen Hieben werde ich von Euphorie erfaßt, als sein Kopf beim dritten aufplatzt. Sein Blut schießt förmlich heraus, überströmt sein Gesicht wie ein dickflüssiger Wasserfall und versetzt mich in blanke Raserei. Ich schlage mit geballter Kraft auf seinen Kopf, sein Schädel knackt und bricht auseinander, und ich bohre den Hammer in seine Hirnmasse und es stinkt, aber das ist nur, weil er sich einpißt und einscheißt, und der Gestank steht fast in der kalten stillen Winterluft und ich winde den Hammer wieder heraus und taumele zurück, um seine Todeszuckungen zu beobachten, sehe, wie sein Entsetzen in den würdelosen Zustand eines Menschen überwechselt, der weiß, daß sein Tod unausweichlich ist, und ich merke, wie ich in diesen ungewohnten Schuhen das Gleichgewicht zu verlieren drohe, fange mich wieder, wende mich ab und gehe die alte Treppe hinunter auf die Straße.
    Auf dem Gehweg ist es schneidend kalt und völlig menschenleer. Mein Blick fallt auf eine Alupackung mit den Resten einer Imbißmahlzeit. Es hat jemand draufgepißt, und Reis schwimmt in einer kleinen Lache gefrierenden Urins. Ich entferne mich. Die Kälte sitzt mir in den Knochen, daß jeder Schritt die Straße runter knirscht und mir ein Gefühl gibt, als würde ich zerspringen. Fleisch und Knochen kommen mir wie voneinander losgelöst vor, als sei dazwischen noch ein Hohlraum. Da ist weder Furcht noch Reue, aber auch kein Hoch- oder Triumphgefuhl. Es ist nur ein Job, der getan werden mußte.

[Menü]
Die Spielchen
    Heute morgen aufgewacht. Aufgewacht in den Job.
    Der Job. Er hat dich im Griff. Er ist überall um dich herum; ein unwandelbares, dich in sich einschließendes, absorbierendes Gel. Und wenn man im Job ist, sieht man die Welt durch diese verzerrte Linse. Manchmal, ja, schafft man sich Rückzugsmöglichkeiten in winzige Zonen relativer Freiheit, diese flüchtigen, zerbrechlichen Räume, in denen neue Dinge, andere, bessere Dinge als Möglichkeiten gedacht werden können.
    Dann hört es auf. Plötzlich erkennst du, daß diese Zonen nicht mehr da sind. Sie wurden kleiner, das wußtest du. Du wußtest, daß du dich irgendwann aufraffen müßtest, etwas dagegen zu tun. Wann ist das geschehen? Bewußt geworden ist es dir erst später. Es spielt auch keine Rolle, wie lange es gedauert hat: zwei Jahre, drei, fünf oder zehn. Die Zonen wurden immer kleiner, bis sie nicht mehr existierten, und was bleibt ist nur der schale Rest. Das sind die Spielchen.
    Die kleinen Spielchen sind der einzige Weg, in diesem Job zu überleben. Jeder pflegt seine kleinen Eitelkeiten, seine ganz persönlichen Marotten. Meine ist die, daß niemand die Spielchen besser spielt als ich, Bruce Robertson. D. S. Robertson, in Kürze D.I. Robertson.
    Die Spielchen werden immer, ich wiederhole: immer gespielt. Meistens ist es ratsam, ganz gleich in welcher Organisation, ihre Existenz zu leugnen. Aber sie laufen immer. Gerade im Moment zum Beispiel. Im Moment sitze ich hier mit einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher