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135 - In der Falle

135 - In der Falle

Titel: 135 - In der Falle
Autoren: Jo Zybell
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Leyden ihr hinterher glotzte. Die Tür zu ihren Privatgemächern war nur angelehnt. Hoffnung flammte in ihr auf. Sollten etwa alle Wächter am Fenster stehen und nur Augen und Ohren für die Krönungsfeier haben…? Sie drückte die Tür auf. Die Enttäuschung schmerzte körperlich – Deenis hockte an dem großen Tisch, den sie früher als Schreibtisch benutzt hatte. Das letzte Mal vor zwei Wochen, als sie das Dokument unterzeichnete, mit dem sie »Rauna von Moska« –Arnaus neuer Tarnname für seine neue Tarngestalt – als ihre Nachfolgerin einsetzte. Sie musste es tun. Der Preis, den Arnau versprochen hatte, war Anns Leben.
    »Hallo!« Deenis winkte müde und grinste sein dümmlich-arrogantes Grinsen. Früher war er Sergeant ihrer Palastwache gewesen. Jetzt war er Sergeant einer Horde versklavter Wachhunde. Jenny gab sich Mühe, nicht auf die Schublade zu schauen, während sie an Deenis vorbei in ihr Schlafzimmer ging.
    Als sie vor zwei Wochen das Dokument unterschrieb, hatten sie zu viert um sie herumgestanden. Keine Chance, die Schublade auch nur zu berühren. Und vorher und nachher hatte es nicht eine Minute gegeben, an der in ihrer Gegenwart nicht ein Bewacher am Tisch saß. Entweder Deenis oder von Leyden.
    In der Schublade lag ein Funkgerät. Ein Funkgerät, mit dem sie über ein Relais in der Internationalen Raumstation Matthew Drax anrufen konnte. Das Gerät war ihre einzige Möglichkeit, Hilfe zu holen, ihre letzte Brücke zu Matt.
    Sie trat an Anns Bett. Auf dem Kissen saßen Anns Stofftiere in Reih und Glied. Jenny schnürte es das Herz zusammen. Seit vier Wochen kein Lebenszeichen mehr von ihrer Tochter; vom Liebsten, was ihr in dieser absurden Welt geblieben war.
    Tränen traten in ihre Augen, sie ging zum Ostfenster ihres Schlafzimmers. In ihrer Brust brannte die starke Gewissheit, dass Ann noch am Leben war.
    Vielleicht war es aber auch nur eine lächerliche Hoffnung, die sie in sich spürte.
    Sie kam an der Nische mit dem schmalen Bett und den zusammengelegten Fellen vorbei. Miouus Schlaflager. Auch ihre Leibwächterin vermisste Jenny über alle Maßen. Jahrelang war Miouu nicht von ihrer Seite gewichen. Und jetzt? Ob sie überhaupt noch lebte? »Wo bist du, meine treue Miouu?«, flüsterte Jenny. »Wo bist du, mein treuer Bulldogg…?«
    Auch vor ihrem Garderobenspiegel blieb sie einen Augenblick stehen. Sie strich sich über die glatte weiße Haut, fuhr sich durch das lange strähnige Blondhaar. Ein Wunder, dass sie nicht mehr Falten bekommen hatte in den letzten Monaten, dass noch kein einziges graues Haar ihren Schopf durchzog. Allerdings frisierte sie sich in letzter Zeit nur noch sporadisch.
    Sie trat ans Fenster, bückte hinaus. Arnau hatte es vergittern lassen, so wie alle Fenster hier unten.
    Der Regen war stärker geworden. Kein Baulärm heute. Vor zwei Wochen hatten sie angefangen, die Ostmauer einzureißen.
    Arnau plante einen großen Teil der östlichen Ruinen zu restaurieren und ins Siedlungsgebiet von Berlin zu integrieren.
    Wohl kaum als Wohnhäuser, schätzte Jenny.
    Der Außerirdische brauchte Lagerraum für seine verdammten Nuklearsprengköpfe.
    »Anniemouse…«, flüsterte sie. Arnau versicherte ihr fast täglich, die Kleine sei noch am Leben. Konnte sie ihm glauben? Sie wollte ihm glauben. »O Annie…«
    Hinter ihr, in ihrem ehemaligen Arbeitszimmer knarrte die Tür. Sie schlich zur Schwelle des Schlafzimmers, spähte zum Tisch. Der Stuhl davor war leer! Draußen auf dem Gang und der Terrasse hörte sie Stimmen. Der Wind trug einen Trommelwirbel vom Marktplatz zum Palast herüber. Festliche Fanfarenstöße ertönten. Der Moment der Krönung! Und alle Wächter standen auf der Terrasse, um das Ereignis wenigstens akustisch mitzuerleben. Idioten!
    Dafür war der Tisch jetzt unbewacht. Auf Zehenspitzen huschte Jenny zu ihm hin. Sie konnte ihr Glück kaum fassen!
    Sie griff nach dem Schubladenbügel. Draußen immer noch Trommelwirbel und Fanfarenstöße.
    »Miststück«, zischte Jenny und zog die Lade auf. Leise, leise; Zentimeter für Zentimeter. Leer.
    Sie hatten das Funkgerät gefunden. Die letzte Brücke zu Matt – weg! Die letzte Möglichkeit, Hilfe zu rufen – eine Illusion. Und vier Wochen lang hatte sie diese Illusion gepflegt. Ihr wurde übel.
    Sie schob die Schublade zu. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Nicht traurig sein«, sagte eine spöttische Stimme.
    Jenny fuhr herum: Im Türrahmen zum Gang lehnte Conrad von Leyden und grinste.
    »Wo ist es…?«
    »In
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