Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
135 - In der Falle

135 - In der Falle

Titel: 135 - In der Falle
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
Kaum konnte Watzlowerst das Grabmal noch erkennen. Er suchte Äste zusammen, errichtete sechzig Schritte entfernt von der Toten einen Unterschlupf und bespannte ihn mit ungegerbtem Wakudafell.
    Bald füllte die Nacht Wald, Flussufer und Himmel mit eiskalter, feuchter Finsternis. Dicke Regentropfen schlugen auf das Felldach seines Unterschlupfes. Watzlowerst konnte das Grabmal schon lange nicht mehr sehen, trotzdem starrte er in seine Richtung. Er achtete auf jedes Geräusch der Nacht. Von Zeit zu Zeit hob er schnuppernd seine feine Nase. Watzlowerst blieb die ganze Nacht über wach. Hin und wieder erhob er sich, stapfte durch das Unterholz, drehte ein paar Runden um das Grabmal und zupfte das Fell zurecht, mit dem Rudgaar Miouus Leiche zugedeckt hatte.
    Es wurde kälter und kälter, das Trommeln der Regentropfen auf dem Felldach leiser und leiser, und als Watzlowerst aus dem Halbschlaf hochschreckte, in den er ein paar Atemzüge lang gefallen war, hatte sich das Trommeln in ein kaum wahrnehmbares Rauschen verwandelt. Es schneite.
    Im Morgengrauen meinte der Riese ein Fauchen zu hören.
    Es schien vom Flussufer zu kommen. Er schleuderte ein paar Äste in diese Richtung, um das Tier zu vertreiben.
    Kurz darauf, der Morgen graute bereits, huschte in hundert Schritt Entfernung ein Schatten vorbei, nicht viel größer als ein junger Doyzdogger. Watzlowerst griff nach Speer, Bogen und Pfeilen, stand auf und schlich durch den Neuschnee bis zum Grabmal. Es war vollkommen eingeschneit, die Leiche nur noch eine Andeutung eines menschlichen Körpers unter einer schweren weißen Decke.
    Der Riese sah es bereits von weitem. Er rannte los, und so behutsam, als fürchtete er die tote Frau unter der weißen Last zu verletzen, strich er ihr den Schnee erst aus dem Gesicht und dem Haar und zog danach das Fell von ihrem Körper, um es auszuschütteln. Sorgfältig deckte er Miouu anschließend wieder zu.
    Dabei fiel sein Blick auf das schneebedeckte Unterholz rechts des Grabmals – dort waren Spuren. Er ging in die Hocke – Katzenspuren. Vom Fluss kommend, führten sie um den Steinquader herum. Vier Tiere mussten es gewesen sein.
    Watzlowerst wusste, dass manche Wildkatzen auch Aas nicht verschmähten, wenn ihnen nichts Besseres vor die Reißzähne kam.
    Er erhob sich, rammte seinen Speer in den Schnee und verfolgte die Fährte zum Flussufer hinunter. Dorthin hatte das Raubzeug sich zurückgezogen; vermutlich als er die Äste in die Dunkelheit geworfen hatte.
    Mit einer Geschmeidigkeit, die man seinem schweren Körper kaum zugetraut hätte, huschte er von Stamm zu Stamm.
    Er legte einen Pfeil auf die Sehne, klemmte sich einen zweiten zwischen die Zähne. Da! Zwei schwarze Wildkatzen zwischen den Büschen der verschneiten Uferböschung!
    Watzlowerst riss den Bogen hoch, schoss den Pfeil ab, spannte zum zweiten Mal und erwischte den zweiten Raubpelz mitten im Sprung. Danach eilte er in mächtigen Sätzen zur Böschung hinunter. Eine Katze lag reglos im Schnee, die andere versank soeben in der Spree. Watzlowerst blickte sich um und entdeckte ein weiteres schwarzes Biest nur zwanzig Schritte entfernt! Doch statt zu fliehen griff es an! Der Riese hatte längst einen neuen Pfeil eingespannt; einen Wimpernschlag später wälzte das Tier sich mit einem Pfeil im Rücken und jämmerlich schreiend im Schnee. Es gelang ihm noch, sich in den Fluss zu schleppen und in seine Mitte zu schwimmen – dort aber versenkte es der vierte Pfeil des Riesen. Was für ein Jagdzug!
    Watzlowerst ging hinter einem Busch in Deckung, spähte nach allen Seiten und legte den nächsten Pfeil ein. Wenn es so gut lief, warum dann den vierten Raubpelz entkommen lassen?
    Nein, kein hungriges Biest sollte sich am Leichnam der verehrten Frau vergreifen! Er richtete sich auf und pirschte sich am Ufer entlang. Im Neuschnee war die Fährte der letzten Katze gar nicht zu übersehen.
    Der Riese folgte der Spur fast eine Stunde lang. Dichtes Schneetreiben setzte ein, und als er endlich das Tier fand, war es schon halb vom Schnee eingehüllt. Keine Bisswunde klaffte an seinem Körper, kein Pfeil oder Speer steckte in ihm – und dennoch war es tot. Als wäre es erfroren, oder als hätte die Angst vor seinem Verfolger ihm das Leben aus dem Körper getrieben.
    Watzlowerst ließ den Kadaver liegen und machte sich auf den Rückweg. Das tote Tier war ihm nicht geheuer, vielleicht war es krank, oder noch schlimmer: Ein Dämon hatte seine Seele geraubt. Mit Krankheiten und Dämonen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher