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1265 - Die heilende Gottin

Titel: 1265 - Die heilende Gottin
Autoren: Unbekannt
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Maschinenanlagen keine weiteren Schutzmaßnahmen notwendig. Sie standen offen im Gelände, so daß jeder verfolgen konnte, was in den verschiedenen Fabriken geschah. Jeder konnte sehen, wie die Menschen an den Maschinen arbeiteten, aber auch, daß viele Männer und Frauen auf dem Boden schliefen. Es waren Arbeiter, deren Einkommen so gering war, daß es gerade für Essen und Trinken reichte, nicht aber für eine Unterkunft.
    Der Kidowhtar-Darhan blieb stehen und blickte zu den Schlafenden hinüber. Sie schienen den Lärm der arbeitenden Maschinen nicht zu hören.
    Man sollte sie von hier vertreiben, dachte er. Der Anblick des Elends ist nicht gerade Motivation für andere.
    Doch dann kam ihm plötzlich ein anderer Gedanke. Warum konnte man diese Arbeiter nicht besser bezahlen, so daß sie eine Wohnung beziehen, sich etwas besser kleiden und verpflegen konnten?
    Schließlich verschwand das Geld, das man ihnen mehr gab, ja nicht im Nichts, sondern kehrte an seine Quelle zurück, wenn die Arbeiter irgend etwas kauften.
    Ein faszinierender Gedanke, überlegte der Kidowhtar-Darhan. Ich verdiene nicht weniger, sondern viel mehr, wenn ich ihnen mehr bezahle, denn an der Wohnung, den Kleidern und den Lebensmitteln verdiene ich ebenfalls. Sie aber werden das nicht begreifen. Sie werden mir auf Knien für meine Güte danken, wenn ich sie besser bezahle, und wahrscheinlich werden sie bei der Arbeit auch noch mehr leisten, Er eilte zu seinem Tempel zurück, rief einige seiner Mitarbeiter zusammen und erörterte seine Gedanken mit ihnen. Dann - als auch sie diese als richtig erkannt hatten - erteilte er den Befehl, alle Löhne in den von ihm beherrschten Werken zu erhöhen. Er war sich dessen bewußt, daß dadurch die produzierten Waren teurer wurden und daß sich seine Wettbewerbssituation möglicherweise verschlechterte, aber das wollte er in Kauf nehmen.
    Befriedigt nahm er zur Kenntnis, daß der Gynäkologe sein Versprechen mittlerweile eingehalten hatte. Er hatte gezahlt.
    Ksoundpksä rief seinen Chauffeur und ließ sich abermals zur Villa von Ghrou-Thar fahren. „Ein Wunder ist geschehen" rief der Industrielle, als der Hohepriester das Haus auf dem Hügel betrat. „Komm. Schnell. Du mußt es, mit eigenen Augen sehen."
    Er ergriff seine Hand und zerrte ihn förmlich zum Kinderbett. Strahlend schlug er die Decke zurück. „Wir danken dir", sagte er. „Kido hat dich erhört. Er hat unseren Sohn gesund werden lassen. Die Geschwüre sind verschwunden."
    Ksoundoksä fühlte, wie es ihm kalt den Rücken herunterlief. Ein so deutliches Zeichen hatte Kido noch nie gesetzt. Allerdings hatte er den Gott vorher auch noch nie darum gebeten, eine bestimmte Person zu heilen. „Ich habe lange und intensiv mit Kido gesprochen", schwindelte er. „Ich bin froh, daß er mich erhört hat."
    „Komm", rief Ghrou-Thar. „Wir wollen essen. Es sind gerade ein paar Köstlichkeiten aus dem Süden eingetroffen. Ich habe sie mit einem Flugzeug herbeischaffen lassen."
    Er führte seinen Gast in einen Nebenraum, in dem unter einem gewaltigen Kronleuchter ein großer, runder Tisch stand. Darauf türmten sich erlesene Speisen der unterschiedlichsten Art. Ksoundoksä lief allein schon beim Anblick dieser Köstlichkeiten das Wasser im Mund zusammen. „Wir werden essen und trinken, bis uns die Bäuche platzen", lachte Ghrou-Thar. „Das Wunder muß gefeiert werden."
    Sie setzten sich an den Tisch und begannen mit der Mahlzeit. Vier Diener traten hinzu und bedienten sie.
    Als sie etwa eine Stunde lang zusammengesessen hatten, kam einer der Mitarbeiter Ghrou-Thars herein. „Vor dem Haus versammeln sich die Arbeiter", berichtete er.
    „Schon wieder?" fragte der Industrielle unwillig. „Was, zum Teufel, wollen sie?"
    „Sie behaupten, sie hätten Hunger. Es fehle ihnen die Kraft zum Arbeiten."
    Ghrou-Thar blickte den Hohepriester an. Entschuldigend hob er die Hände. „Es tut mir leid, daß unser bescheidenes Mahl durch diese unverfrorene Gesellschaft gestört wird", erklärte er. „Ich würde sie alle in den Schnee hinausjagen, wenn ich es mir leisten könnte. Es geht nicht, weil die Arbeitskräfte knapp werden. Allzu viele sind krank und sterben zu früh. Schon jetzt wird nicht das bewältigt, was eigentlich geschafft werden müßte. Die Waggons werden nicht schnell genug ent- und beladen, und außerdem stehlen die Leute wie die Schneegeier. Diese Speisen mußte ich durch bewaffnete Kräfte bewachen lassen, damit sie nicht einfach verschwinden.
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