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1265 - Die heilende Gottin

Titel: 1265 - Die heilende Gottin
Autoren: Unbekannt
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Sie waren makellos grün, und die sanft geschwungenen Spitzen ihrer Schuppen glänzten im Licht der elektrischen Lampen, die
    es anscheinend überall in diesem Haus gab und die mehr als alles andere Ausdruck des Reichtums seiner Besitzer waren.
    Die Tür öffnete sich, und mit schwerfälligen Bewegungen kam Ghrou-Thar herein. Der mächtigste Industrielle von Thaema-Thahar war etwa einen Meter größer als seine Frau. Er hatte einen breiten, ausladenden Kopf mit faustgroßen, kalten Augen und weit vorspringenden Kiefern. Die acht Reißzähne ragten über die Lippen hinaus. Er trug mehrere geschickt miteinander kombinierte Gewänder in Rot, Gelb und Grün übereinander, die seinen Körper noch gewaltiger erscheinen ließen, als er ohnehin schon war. Eine rote Kappe bedeckte seinen Schädel. Sie war mit dem roten Wollzopf der Kido-Kantren versehen, der Anhänger der größten und einflußreichsten Sekte des Planeten, deren höchster 'Priester Ksoundoksä war. „Sie wollen Rechte", schnaubte Ghrou-Thar. „Hat man so was schon gehört? Die Arbeiter wollen Rechte! Dabei sind sie nicht in der Lage, ihr eigenes Leben auch nur annähernd zu regeln. Jedes ihrer Weiber legt Dutzende von Eiern, aber von den ausgeschlüpften Jungen kommt kaum eines durch, weil sie nicht fähig sind, sie aufzuziehen."
    „Sie haben Hunger", entgegnete Ghrou schüchtern. „Vielleicht könnten sie ihre Kinder aufziehen, wenn sie selbst kräftig genug wären und sie sie besser ernähren könnten."
    „Halt du den Mund", fuhr der Industrielle sie an. „Es wäre ja noch schöner, wenn sich die Weiber in solche Dinge einmischen dürften. Ihr seid viel zu dämlich dazu, die Zusammenhänge zu begreifen."
    Sie zuckte zusammen und senkte demütig den Kopf. „Was ist los?" fragte Ghrou-Thar den Hohenpriester der Kido-Kantren-Sekte. „Weshalb weihst du das Haus mit deiner Göttlichkeit?"
    „Es geht um dein Kind", erwiderte Ksoundoksä, der Kidowhtar-Darhan. „Der Todesengel hat seine Hand erhoben."
    Ghrou-Thar blickte ihn entsetzt an. Zum erstenmal zeigte sich so etwas wie Leben in seinen Augen. „Du mußt dich irren", stammelte er. „Kido würde mir das nicht antun. Ich habe viel Geld gespendet.
    Sehr viel Geld."
    „Und ich habe dir gesagt, daß ich dir nichts versprechen kann. Kidos Gedanken sind unergründlich.
    Er allein bestimmt über Leben und Tod. Niemand kann ihn zwingen, nach seinem Willen zu handeln."
    Ghrou-Thar beugte sich über die Wiege. Erschüttert griff er nach den winzigen Händen des Kindes, die sich ihm entgegenstreckten. Er sah den ungestalten Unterleib des Kindes, und er erkannte, daß es keine Rettung mehr gab. Dennoch wandte er sich an den Hohenpriester. „Kannst du nichts tun?" fragte er. „Du bist der Kidowhtar-Darhan. Wenn überhaupt noch jemand helfen kann, dann bist du es."
    Kidowhtar-Darhan antwortete nicht. Er blickte den Industriellen stumm an. „Sprich mit Kido", bat dieser. „Du kannst es. Du hast es schon oft getan. Auf dich wird er hören."
    „Da draußen sterben jeden Tag Hunderte von Kindern", erwiderte Ksoundoksä. „Was sollte ich meinem Herrn sagen? Daß dein Kind besser ist als die Kinder anderer?"
    Ghrou-Thar fuhr zornig auf. Er zog die Lippen über die Zähne zurück. „Hüte dich, Ksoundoksä", brüllte er. „Willst du behaupten, mein Kind sei so gut wie das eines jeden Arbeiters da draußen? Hast du den Verstand verloren? Geh hinaus. Sieh dir an, in welchem Dreck sie hausen. Bist du blind? Hast du verlernt, zwischen ihnen und mir zu unterscheiden?"
    Ghrou griff verzweifelt nach dem Arm ihres Mannes. „Nicht doch", stammelte sie unter Tränen. „Wenn du den Hohenpriester beleidigst, wirst du ihn nicht für dich und unseren Sohn gewinnen."
    Ghrou-Thar wurde sich dessen bewußt, was er gesagt hatte. Er sank auf die Knie. „Verzeih mir, edler Ksoundoksä", stieß er keuchend hervor. Er schlug die Hände an den Kopf. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Der Böse hat meine Zunge gelenkt. Verfüge über mein Leben."
    Der Industrielle beugte sich weit nach vorn und drückte den Kopf auf den Boden. Er griff mit den Händen nach den Füßen des Hohenpriesters. Der ließ es sich gefallen. Nachdenklich blickte er auf die Wiege. Dann trat er einen Schritt zurück. „Ich werde sehen, was sich tun läßt", erklärte er und verließ das Haus auf dem Hügel, in dem in allen Räumen elektrisches Licht den hellen Tag vortäuschte.
    Vor dem Haus stieg er eine breite Treppe hinunter. Mehrere Diener
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