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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers
Autoren: Tom Clancy
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später schaltete das Büro des zuständigen Sheriffs das FBI ein. Dies war zulässig, sobald die Möglichkeit bestand, dass das Opfer einer Entführung über eine Staatsgrenze gebracht worden war. Von Georgetown, Alabama, fuhr man nur eine halbe Stunde bis zur Grenze zum Bundesstaat Mississippi. Daher stürzte sich die FBI-Dienststelle in Birmingham sofort auf die »7« – wie eine Entführung im FBI-Jargon bezeichnet wird – wie die Katze auf die Maus. Fast jeder verfügbare Agent der Dienststelle stieg in seinen Wagen und machte sich auf den Weg nach Südwesten in die ländliche Kleinstadt. Im Stillen fürchtete allerdings jeder dieser Agenten, dass der Einsatz von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Bei Entführungen tickte die Uhr gnadenlos. Man ging davon aus, dass die meisten Opfer binnen vier bis sechs Stunden sexuell missbraucht und getötet wurden. Nur durch ein Wunder 19

    konnte das Kind innerhalb dieser kurzen Zeit lebend gefunden werden, und Wunder geschahen nicht gerade oft.
    Aber die meisten dieser Männer hatten selbst Frau und Kinder und gingen daher ans Werk, als ob eine Chance bestünde. Der ASAC – Assistant Special Agent in Charge, also der stellvertretende Leiter der Dienststelle – sprach als Erster mit dem Sheriff vor Ort, einem gewissen Paul Turner. In den Augen der Bundespolizei war jener ein ermitt-lungstechnischer Amateur und mit dem Fall hoffnungslos überfordert. Turner selbst sah das ähnlich. Bei der Vorstellung, dass in seinem Zuständigkeitsbereich ein kleines Mädchen vergewaltigt und ermordet würde, drehte sich ihm der Magen um, und so war ihm die Unterstützung höchst willkommen.
    Jeder Mann, der eine Dienstmarke und eine Waffe trug, bekam ein Foto der Verschwundenen ausgehändigt. Die Cops von der örtlichen Polizei und die Special Agents vom FBI studierten Straßenkarten und nahmen sich zuerst den Weg zwischen dem Haus der Davidsons und dem Kindergarten fünf Blocks weiter vor, den das Mädchen seit zwei Monaten jeden Morgen gegangen war. Sie befragten sämtliche Anwohner entlang dieser Strecke. In Birmingham wurde die Computerdatenbank nach bekannten Sexualstraftä-
    tern durchforstet, die innerhalb eines Radius von 150 Kilometern wohnten, und Agenten sowie Alabama State Troopers schwärmten aus, um auch diese Personen zu vernehmen. Sie durchsuchten jedes Haus – die meisten mit Einwil-ligung der Besitzer, etliche aber auch ohne jene. Das gab keinerlei Probleme, denn die Richter vor Ort waren in Entführungsfällen rigoros und ließen den Beamten einen solchen Verstoß gegen das Gesetz immer durchgehen.
    Es war nicht Special Agent Carusos erster großer Fall, wohl aber seine erste »7«, und obwohl er weder Frau noch Kinder hatte, ließ ihm der Gedanke an ein vermisstes Kind erst das Blut in den Adern gefrieren und brachte es dann zum Kochen. Das »offizielle« Kindergartenfoto des Mäd-20

    chens zeigte blaue Augen, blondes Haar und ein ver-schmitztes kleines Lächeln. Bei dieser »7« konnte es unmöglich um Geld gehen. Das Kind stammte aus einfachen Verhältnissen – der Vater arbeitete in der Leitungswartung beim örtlichen Elektrizitätswerk, die Mutter war in Teilzeit als Schwesternhelferin im Bezirkskrankenhaus beschäftigt.
    Beide waren Methodisten und aktive Kirchgänger und auf Anhieb keineswegs verdächtig, ihr Kind misshandelt oder missbraucht zu haben. Das würde natürlich noch näher überprüft werden. Bei der Einsatzleitung in Birmingham gab es einen hochrangigen Agenten, der als erfahrener Profiler galt, und sein vorläufiger Befund ließ das Schlimmste befürchten: Bei dem unbekannten Täter handelte es sich möglicherweise um einen Serienentführer und -mörder, um jemanden, der eine sexuelle Neigung zu Kindern besaß und der wusste, wie man sich nach solchen Verbrechen am si-chersten vor der Entdeckung schützte: indem man das Opfer umbrachte.
    Er lauerte irgendwo da draußen, das wusste Dominic Caruso. Der junge Agent hatte erst vor knapp einem Jahr seine Ausbildung in Quantico abgeschlossen, aber dies war bereits sein zweiter Job – unverheiratete FBI-Agenten hatten ebenso viel Einfluss darauf, wohin es sie verschlug, wie ein Spatz, der in einen Hurrikan geriet. Die Dienststelle, in der er zuerst tätig war, lag in Newark, New Jersey. Nach ganzen sieben Monaten wurde er dann nach Alabama versetzt, und dort gefiel es ihm besser. Das Wetter war zwar die meiste Zeit über ziemlich mies, aber er zog die ländlichere Gegend dennoch der dreckigen
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