Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
lange«, riet Ellis.
    »Roger, ich warte.«
    Aber das Leben eines kleinen Mädchens stand auf dem Spiel…
    Caruso ging auf das Haus zu, immer darauf bedacht, nicht in den Sichtbereich der nächsten Fenster zu geraten.
    Dann stand die Zeit still.
    Als er den Schrei hörte, erschrak er bis ins Mark. Es war ein grässlicher, schriller Ton – wie von jemandem, der dem Tod ins Gesicht sah. Ehe er sich’s versah, hielt er seine Automatik in den Händen – zwar vor dem Brustbein und den Lauf gen Himmel gerichtet, aber er hielt sie immerhin in den Händen. Ihm wurde bewusst, dass dies der Schrei einer 26

    Frau gewesen war, und etwas in seinem Kopf machte klick.
    So schnell und zugleich so geräuschlos wie möglich stieg er auf die Veranda unter dem schiefen, schlecht gedeckten Dach. Die Vordertür bestand größtenteils aus metallenem Insektengitter. Sie hätte einen neuen Anstrich vertragen können – und der Rest des Hauses ebenfalls. Wahrscheinlich war dies ein Mietshaus, und zwar ein billiges. Als Caruso durch das Gitter spähte, erkannte er dahinter einen Flur, der links in die Küche und rechts in ein Badezimmer führte. Diese Tür stand offen. Caruso konnte aus seiner Position nur eine Toilettenschüssel aus weißer Keramik und ein Waschbecken erkennen.
    Er fragte sich, ob er einen hinreichenden Grund hatte, in das Haus einzudringen, und entschied sich kurzerhand dafür. Er öffnete die Tür und schlüpfte so lautlos wie möglich hindurch. Auf dem Boden lag ein billiger, schmutziger Läufer. Caruso schlich den Flur entlang, die Waffe schuss-bereit in der Hand, alle Sinne bis aufs Äußerste geschärft.
    Mit jedem Schritt veränderte sich sein Blickwinkel. Bald war die Küche nicht mehr einsehbar, dafür konnte er das Bad besser überschauen…
    Penny Davidson lag in der Badewanne – nackt, die leuchtend blauen Augen weit aufgerissen, der Hals von einem klaffenden Schnitt durchtrennt, der von einem Ohr bis zum anderen reichte. Ihre flache Brust war blutüberströmt, ebenso die Badewanne.
    Seltsamerweise verspürte Caruso keine körperliche Reaktion. Seine Augen registrierten geradezu fotografisch, was er da vor sich sah, doch seine Gedanken galten in diesem Moment einzig und allein dem Mann, der das getan hatte.
    Dieser Mann war noch am Leben und wahrscheinlich nur wenige Meter entfernt.
    Caruso hörte ein Geräusch. Ein Stück den Flur entlang befand sich links ein weiteres Zimmer. Ein Wohnzimmer mit einem Fernseher. Der Täter musste sich in diesem Raum aufhalten. Ob er einen Komplizen hatte? Caruso blieb keine 27

    Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, und es kümmerte ihn in diesem Moment auch nicht besonders.
    Langsam und vorsichtig schlich er heran und spähte um die Ecke. Sein Herz schlug wie ein Presslufthammer. Da war der Kerl – Ende dreißig, weiß, männlich, schütter werdendes Haar. Er starrte gebannt auf den Fernseher und trank Miller-Lite-Bier aus einer Aludose. Es lief ein Horror-film – daher wohl der Schrei. Auf dem Gesicht des Mannes lag ein Ausdruck von Zufriedenheit, keine Spur von Erregung. Die hatte er wohl schon hinter sich, dachte Dominic.
    Vor dem Typen auf dem Kaffeetisch – Herrgott! – lag ein Schlachtermesser mit blutverschmierter Klinge. Auch das TShirt des Mannes war mit Blut bespritzt – mit Blut aus dem Hals eines kleinen Mädchens.
    »Das Elende an diesen Hundesöhnen ist, dass sie nie Widerstand leisten«, hatte einer seiner Ausbilder an der FBI-Akademie einmal gesagt. »Klar, wenn sie kleine Kinder in ihrer Gewalt haben, kommen sie sich so großartig vor wie John Wayne, aber gegenüber bewaffneten Polizisten wehren sie sich nicht, niemals! Und wissen Sie was – das ist eine verdammte Schande!«, fügte der Ausbilder hinzu. Du wan-derst heute nicht in den Knast, schoss es Caruso unvermittelt durch den Kopf. Sein rechter Daumen spannte den dornlo-sen Hahn, bis er klickend einrastete. Die Waffe war schuss-bereit. Flüchtig nahm er wahr, dass sich seine Hände wie Eis anfühlten.
    Im Flur, an der Ecke zum Wohnzimmer, entdeckte er ein ramponiertes kleines Beistelltischchen. Auf der achteckigen Tischplatte stand eine durchsichtige blaue Glasvase – ein billiges Stück, vielleicht aus dem Supermarkt im Ort. Sie war leer. Caruso zielte sorgfältig mit dem Fuß, dann trat er das Tischchen um. Die Vase zerbrach mit lautem Klirren auf dem Holzfußboden.
    Der Mann schreckte auf, fuhr herum und sah sich einem unerwarteten Besucher gegenüber. Eher aus einem Vertei-digungsreflex
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher