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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten
Autoren: Osman Engin
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sie kennt. Außer dem werde ich alle Kurse bezahlen, die du haben willst,und du kriegst zudem gleich 5 Euro bar auf die Hand«, appelliere ich an ihr Gewissen und an ihre Geldgier.
    Hatice macht große Augen und würgt mit viel Mühe zwei Frikadellen runter.
    »Frau Kuckuck, wir danken Ihnen von ganzem Herzen für diese leckeren Frikadellen«, sage ich höflich anstelle meiner kleinen Tochter. Die bringt nichts mehr heraus. Und ich bin sehr froh darüber, dass sie nichts herausbringt – insbesondere nicht die Fleischklöße!
    »Nichts zu danken, Herr Engin, von nun an wird Ihre Tochter jeden Tag etwas von mir zu essen bekommen, damit sie was auf die Rippen kriegt«, sagt sie gönnerhaft.
    »Papi, Papi, lass uns hier sofort ausziehen! Ich werde auch immer artig sein«, wimmert Hatice mit grünem Gesicht.
    »Herr Engin, Herr Engin, gut, dass ich Sie noch erwische«, ruft Opa Prizibilsky vom Erdgeschoss. »Herr Engin, sagen Sie mal, passen die Kleider, die ich für Ihre Kleine mitgebracht habe?«
    »Keine Ahnung, was für Kleider denn, Herr Prizibilsky?«, frage ich überrascht.
    »Papi, er meint den Müll, den er letzte Woche bei uns vor der Tür abgeladen hat«, klärt mich meine Tochter wieder auf Türkisch auf.
    »Hatice, davon weiß ich ja überhaupt nichts. Was hast du damit gemacht?«, frage ich ziemlich verwirrt.
    »Ich hab versucht, sie auf dem Flohmarkt zu verkaufen«, flüstert sie.
    »Was denn, du hast Geschenke von Nachbarn verkauft, oder was?«, frage ich empört.
    »Nein, nicht mal dort bin ich den Kram losgeworden. Deshalb hab ich den ganzen Müll in die Altkleider-Tonne geschmissen«, sagt sie enttäuscht.
    »Herr Engin, meinem Enkel passen die Sachen nicht mehr«, klärt Opa Prizibilsky uns auf. »Und da Sie ja hier im Haus wohnen, da dachte ich mir, warum soll ich die Sachen für teures Geld nach Afrika schicken?«
    »Danke, Herr Prizibilsky, Sie sind aber auch wirklich zu gut zu uns«, sage ich und schimpfe mit meiner Tochter:
    »Hatice, wenn du jetzt eins von seinen Kleidungsstücken angehabt hättest, hätte das so einen guten Eindruck bei unseren deutschen Nachbarn gemacht!«
    »Papi, warum muss eigentlich immer ich unter diesem Schwachsinn leiden? Zieh du doch selber seine alten Klamotten an«, zischt sie.
    Herr Prizibilsky fragt neugierig:
    »Was meint Ihre liebe Tochter, Herr Engin?«
    »Meine Tochter sagt, sie hat diese schönen Kleider extra für ihren Geburtstag aufgehoben, und sie fragt, ob sie ihrem Onkel Prizibilsky zum Dank die Hände küssen darf.«
    In dem Moment zischt meine Frau mir ins Ohr:
    »Osman, Hatice fragt, ob sie dich nachher umbringen darf?«
    Im Gegensatz zu meiner Familie sind unsere Nachbarn bester Laune.

Montag, 14. Juni
    Am Montag erwähne ich meinem Meister gegenüber mit keinem Wort die Geschichte mit Frau Kuckuck. »Was soll ich denn damit, zum Kuckuck?«, hätte er sofort gebrüllt. »Ich will die Mordgeschichte hören! Hast du nun an der toten Frau rumgefummelt oder nicht?«
    Und wie ich vermutet habe, so kommt es auch.
    »Mein lieber Meister, ich war richtig erbost, dass meine Frau am Tatort rumgefummelt hatte. Dementsprechend rief ich ganz schön böse:
    ›Eminanim, ich meine das ernst, du wirst jetzt verdächtigt, weil deine Fingerabdrücke auf der Vase drauf sind.‹
    ›Und deine Fingerabdrücke sind auf dem Po der toten Inge, du Ferkel! Aber mach dir keine Sorgen, der hiesigen Polizei ist ein Mord so was von egal!‹, rief sie sehr sarkastisch.
    ›Wie kommst du denn da drauf?‹, fragte ich erleichtert, da mir offensichtlich keine Strafen drohten, obwohl ich mit einer ihrer Freundinnen gepennt hatte. Dass sie bereits tot war, wirkte sich wohl etwas strafmildernd aus.
    ›Vermutlich ist die Schwerter Polizei völlig abgestumpft, was Morde betrifft, weil hier seit Jahren jeden Tag mehrere Dutzend Menschen mit einem Schwert abgeschlachtet werden. Womöglich auch daher der Name:Schwerte! Schlachte wäre allerdings noch passender gewesen! Wie sagt unser kommunistischer Sohn Mehmet immer so schön: Schwerter zu Pflugscharen!‹
    ›Na gut, wenn die Polizei nicht zur Leiche kommt, dann muss eben die Leiche zur Polizei‹, fasste ich die Lage blitzschnell zusammen.
    ›Willst du die arme tote Inge etwa so zur Polizei schleppen?‹, fragte meine Frau überrascht.
    ›Nicht direkt natürlich. Ich werde sie mit meiner tollen Digitalkamera fotografieren und damit zu diesen Ignoranten fahren. Aber vorher rufe ich noch mal den Klaus an. Ein ganzer Tag Vorsprung sollte
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