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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten
Autoren: Osman Engin
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heraus, dass ich ein paar Tage vorher im Sommerurlaub in der Türkei mindestens tausend Fliegen und zweitausend Mücken auf brutalste Art und Weise abgeschlachtet hatte und dazu ein unverbesserlicher Yoga-Hasser war, wie meine fünfundzwanzigjährige Ehefrau hartnäckig behauptete. Nein, nein, meine Ehefrau ist leider auch nicht fünfundzwanzig – wie gesagt, unsere Ehe ist es nur!
    Danach gingen wir alle drei gemeinsam zum Polizeirevier. Als ich sah, dass die Polizeistation nur fünfzig Meter entfernt ist, flippte ich richtig aus.
    Aber es stellte sich als unwahr heraus, dass die Schwerter Polizei mindestens fünf Leichen brauchte, um sich zu Hausbesuchen zu bequemen! Vier auch nicht! Drei auch nicht! Nicht mal zwei!
    ›Schon bei einer einzigen Leiche würden wir mit Sicherheit kommen – wenn wir denn nur könnten‹, versicherte mir Hauptkommissar Lück.
    ›Und was hindert Sie daran?‹, fragte ich neugierig.
    ›Wir haben nicht genügend Mitarbeiter. Pro Nacht bekommen wir mindestens fünfzig Anrufe. Neunundvierzig davon wegen Ruhestörung‹, sagte er. ›Und meine Kollegen von der Nachtschicht haben auch gewissenhaft notiert, dass diese Inge Peters gleich mehrmals wegen des Lärms in der Wohnung über ihr angerufen hat. Nach dem fünften Anruf sind die Kollegen auch hingegangen und haben mit dem Herrn in der Etage obendrüber ein ernstes Wort gesprochen. Aber danach nicht mehr, wie gesagt, wegen Personalmangel. Als Ihre Frau dann vom gleichen Apparat anrief und von Mord sprach, da hat unser Kollege gedacht, diese Inge Peters würde ein wenig dramatisieren und hat sie deshalb ein bisschen …‹
    ›Verarscht!‹, vollendete Eminanim den Satz.
    ›Nicht doch, gnädige Frau! Ein bisschen hingehalten, wollte ich sagen‹, entschuldigte sich Kommissar Lück höflich und buchtete uns dann alle drei einfach ein – das aber nicht mehr ganz so höflich!
    Wie ein tollwütiger Hund versuchte Eminanim um sich zu beißen, um ihren Ärger loszuwerden:
    ›Osman, du Idiot, habe ich dir nicht gleich gesagt, dass man die Deutschen unangemeldet nicht besuchen darf?‹, schimpfte sie mit mir.
    ›Warum denn, damit sie ihre Leichen verstecken können?‹, fragte ich nicht weniger genervt.
    ›Und das alles wegen deinem dämlichen Klaus‹, zischte sie.
    ›Mein Kollege macht doch seit zwei Wochen Urlaub in der Türkei, der hat damit nichts zu tun!‹
    ›Osman, wie sagte er noch mal? Er sitzt in Akçay direkt am Meer und schaut sich das herrlich saubere Wasser an, nicht wahr? Wir sitzen in Schwerte im Knast und schauen uns die dreckige Wand an!‹
    ›Eminanim, ich bitte dich, versuch jetzt nicht den ganzen Knast zu putzen und neu zu streichen! Ich will wenigstens im Gefängnis einmal meine Ruhe haben. Mach doch einfach die Augen zu. Wenn du die Luken zumachst, darfst du träumen, was du willst – und niemand kann dich zügeln! Wie heißt es so schön: Die Gedanken sind frei!‹
    Die Gedanken vielleicht, aber die Menschen, diese vollkommen ausgelieferten Kreaturen, die kann man auch noch nach Lust und Laune brutal foltern! Und wie! Auf diesem Gebiet sind die Deutschen wahre Experten. Das gemeine Woterbording der Amerikaner, die glühenden Eisen der Russen, die fiesen Wassertropfen der Chinesen und das brutale Auspeitschen der Araber, die alle können verglichen mit der schrecklichen Foltertechnik der Schwerter einpacken. Ich wurde zwei Tage lang so was von unmenschlich gefoltert, dieses Trauma werde ich wohl nie wieder los!
    Apropos Folter: Chef, wenn ich jetzt nicht sofort losdüse, verpasse ich meinen Bus, und dann wird meine Frau mir heute Abend einen sehr dünn geschnittenen Döner servieren – und zwar mich selber!«
    »Osman, wie wurdest du denn gefoltert? Was haben die mit dir gemacht?«, fragt er mit glänzenden Augen.
    »Ich muss jetzt unbedingt flitzen! Morgen erfahren Sie alle Einzelheiten! Morgen wird hier so böse gefoltert, dass sogar unserem Hochofen schlecht wird!«
    »Mann, du kannst doch nicht einfach so abhauen und mich wie ’ne frustrierte Nutte auf dem Strich einfach stehen lassen, verdammt! Wenn du nicht sofort weitererzählst, werde ich dich gleich foltern.«
    »Herr Viehtreiber, Sie müssen sich hinten anstellen – erst die Polizei und meine Frau!«
    »Du Ratte!«, brüllt er mir hinterher und knabbert wie ein wütendes Nagetier an meiner Kündigung, die er heute Gott sei Dank wieder nicht loswerden konnte.
    »Guten Appetit – und tschüss«, brülle ich höflich zurück.

    Total erleichtert laufe
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