Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten
Autoren: Osman Engin
Vom Netzwerk:
und kontrollierte dann seinen Puls und rief danach etwas erleichtert: ›Gott sei Dank, er ist nur ohnmächtig.‹
    Als ich das hörte, freute ich mich riesig:
    ›Was, der ist ohnmächtig? Toll! Das habe ich im Erste-Hilfe-Kursus gelernt! Wir müssen ihn sofort in eine stabile Seitenlage bringen. Los, das muss schneller gehen!‹, erteilte ich meine Anweisungen in alle Richtungen und hatte das Geschehen im Flugzeug völlig unter Kontrolle.
    Wie ich schon gestern sagte: Der Opa hatte verdammtes Glück gehabt, dass er zusammen mit mir im selben Flugzeug gelandet war. Dank der vielen Erste-Hilfe-Kurse, die ich hier in Halle 4 mit Ihrer Erlaubnis absolvieren durfte, war es für mich ein Leichtes, den ohnmächtigen Arzt wiederzubeleben. Und der hat dann schließlich den Opa gerettet.«
    »Und was hat diese blöde Geschichte nun mit dem Mord zu tun?«
    »Was das mit Mord zu tun hat? Wenn der Arzt abgekratzt wäre, hätten die mich doch für mindestens fünfzehn Jahre aus dem Verkehr gezogen! Und damit meine ich ganz sicher nicht den Straßenverkehr.«
    »So’n Quatsch! Junge, du hast vermutlich selber gemerkt, dass deine Geschichten immer langweiliger werden, um nicht zu sagen blöder.«
    »Öhm …, so direkt würde ich das nicht formulieren wollen …«
    »Du hast recht, die waren immer schon blöd«, lacht er und greift nach meinem Kündigungsschreiben.
    »Gut, dass Sie mich daran erinnern«, stoppe ich ihn, »ich muss mal schnell Kommissar Lück in Schwerte anrufen!«
    »Weil ich dich rauswerfe, rufst du Kommissar Lück an? Ruf doch lieber das Arbeitsamt an!«
    »Beim Arbeitsamt war ich schon heute Morgen. Sie werden gleich sehen, warum ich anrufe«, sage ich sehr bedeutungsvoll und wähle die Nummer.
    »Willst du
mich
etwa verhaften lassen? Wir haben Gott sei Dank noch keinen Kommunismus in diesem Land, ichkann feuern, wen ich will und wie ich will. Heute bist du dran …«
    »Sie Möchtegern-Scherlock-Holms, Sie!«, knurrt Kommissar Lück mir sofort leicht verschnupft ins Ohr. »We gen Ihrer dämlichen Geschichte habe ich mich hier total blamiert! Der Dieb, der die Nachbarin beklaut hat, ist nicht der Mörder von Inge Peters! Sein Alibi ist wasserdicht und bombenfest.«
    »Das weiß ich mittlerweile auch«, sage ich voller Selbstbewusstsein, »rufen Sie jetzt bitte Ihre Bremer Kollegen an. Der Mörder von Inge Peters ist hier bei uns in der Fabrik!«
    Die Augen Viehtreibers werden größer als die Frauenschenkel, die er tagelang verdrückt hat:
    »Versuchst du diesen Mord etwa mir in die Schuhe zu schieben, weil ich dich vor die Tür setze, oder was?«, stammelt er.
    »Ach, nein, wo denken Sie denn hin?«, besänftige ich ihn.
    »Und wie kommst du dann drauf, dass der Mörder von Inge hier bei uns in der Firma ist? Wieso erzählst du denn der Polizei so einen Schwachsinn?«
    »Das stimmt leider! So wahr ich hier stehe!«
    »Bist
du
etwa der Mörder?!«, stottert er.
    »Sind
Sie
etwa der Mörder?!«, stottert auch der Kommissar Lück ungläubig.
    »Nein, ich nicht, der Kollege Helmut aus Halle 3 ist der Mörder. Und der sitzt gerade im Pausenraum, ganz hinten unter der künstlichen Palme«, antworte ich den beiden gleichzeitig.
    »Osman, Junge, wie kommst du denn auf so was? Das ist ein schlimmes Verbrechen, wenn man unschuldige Menschen des Mordes bezichtigt«, stottert Viehtreiber immer noch völlig verwirrt.
    »Das Foto, das er aus Inges Fenster gemacht hat, hat ihn verraten. Ich habe es eben auf dem Läptop von Hans gesehen, als er mit den Urlaubsfotos der Kollegen im Pausenraum wieder ein großes Kino veranstaltet hat.«
    »Na ja, wenn das wirklich stimmen sollte, dann brauche ich mir keine Sorgen zu machen, dass du in der Gosse landest. Als Privatdetektiv findest du locker wieder einen Job«, verzieht er das Gesicht und reicht mir nach so vielen Tagen nun doch meine fette Kündigung, ich meine, meine fettige Kündigung, die etliche Spuren von Eminanims Essen aufweist. »Hier unterschreiben, bitte!«
    Wohl oder übel unterschreibe ich mit zittriger Hand meine eigene Hinrichtung.
    »Tschüss, Osman, ich werde dich sehr vermissen …«
    »Ich werde Sie auch sehr vermissen, Herr Viehtreiber«, rufe ich, während ich mit dem schmierigen Papier in der Hand wie ein geprügelter Hund zur Tür latsche. »Aber damit meine Sehnsucht sich in Grenzen hält, habe ich mir gerade von Hans eine CD brennen lassen. All Ihre lustigen, schönen und völkerverbindenden Ansprachen sind drauf, die Hans seit Wochen während den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher