Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten
Autoren: Osman Engin
Vom Netzwerk:
jederzeit vom Baum runter auf die Köpfe der Kinder stürzen.
    Dieses lustige Bild konnte man mit Sicherheit nur von diesem Fenster aus bewundern, deshalb habe ich es sofort fotografiert und weckte danach meine Frau, die auf dem Sofa eingeschlafen war.
    ›Eminanim, war die Polizei heute Nacht noch hier?‹, fragte ich neugierig.
    ›Nein, ich glaube, für die Schwerter Polizei ist ein einfacher Mord noch kein triftiger Grund, nachts auszurücken‹, zischte sie total sauer.
    ›Und wie kommt dann die Vase wieder auf den Tisch?‹, fragte ich verwundert.
    ›Nachdem ich heute Nacht drei Mal darüber gestolpert bin, hab ich sie weggestellt‹, meinte sie trocken.
    ›Bist du verrückt? Du darfst doch nicht am Tatort rumfummeln!‹, schrie ich verzweifelt.
    ›Mecker nicht rum! Du hast sogar an der Toten rumgefummelt!‹, konterte sie unverschämt.
    ›Was soll das denn heißen? Ich bin doch kein Leichenschänder!‹
    ›Ich hab’s gesehen, wie ihr eng umschlungen geschlafen habt‹, rief sie angewidert.«
    »Waaas? Du hast mit der toten Frau gepennt?«, ruft auch Herr Viehtreiber. Nur nicht so angewidert wie Eminanim, sondern eher neugierig und ein bisschen neidisch.
    »Ich glaube, ich habe eher meinen Bus verpennt! Herr Viehtreiber, ich erzähle Ihnen die Geschichte am Montag weiter«, tue ich besorgt und schnappe meine Tasche.
    »Du perverses Schwein, hast du nun mit der Leiche gepennt oder nicht?«, brüllt er hinter mir her und amüsiert sich köstlich.
    »Montag, Meister, Montag! Montag erzähle ich den Rest!«
    »Also gut, du Gängster, du darfst noch einen Tag kommen!«
    Bingo!!
    Sein Lachen verfolgt mich bis zum Parkplatz!
    Wie sagt man so schön: Wer zu früh lacht – hat’s nicht kapiert!

    Ich bin froh, der drohenden Katastrophe erst mal für zwei Tage ein Schnippchen geschlagen zu haben. Nun habenmeine Frau und ich ein ganzes Wochenende lang Zeit, einen raffinierten Plan auszutüfteln. Zugegeben, mein Meister Viehtreiber ist nicht der König Schahriyar von Persien und ich bin nicht Scheherazade. Und er wird mich auch nicht gleich hinrichten lassen, sondern mir nur kündigen. Zudem wird diese ganze Folter garantiert nicht 1001 Nächte dauern, sondern höchstens einen Monat. Aber sonst ist der Unterschied zwischen heute und vor tausend Jahren nicht so gravierend.
    Arbeitslos zu sein ist heutzutage genauso eine Katastrophe wie damals den Kopf abgehackt zu bekommen.
    Man wird als Versager abgestempelt …
    als Schmarotzer …
    als Drückeberger …
    als Nichts …
    als Eunuch …
    als Hartz-I V-Empfänger …

    Dementsprechend komme ich mit völlig gemischten Gefühlen zu Hause an.
    Meine Frau Eminanim empfängt mich wie einen echten Helden! Wie den kleinen süßen David, der den großen bösen Goliath zumindest für zwei Tage in die Flucht geschlagen hat.
    »Eminanim, jetzt hör endlich auf, an deinen Fingernägeln zu kauen, lass uns lieber Köfte essen gehen, schmeckt bestimmt besser. Ich lade dich in ein tolles Restaurant ein, um unsere erfolgreiche Strategie gegen die Arbeitslosigkeit zu feiern!«
    »Ossi, deine Arbeit steht auf der Kippe, du landest womöglichbald auf der Straße und willst trotzdem groß essen gehen«, knabbert sie weiter.
    Seit einiger Zeit nennt mich meine Frau Ossi – aber nur wenn sie gute Laune hat. Das heißt sehr, sehr selten.
    »Papa, Papa, du darfst auf keinen Fall arbeitslos werden«, kommt auch meine kleine Tochter Hatice angelaufen. »Du hast mir doch versprochen, dass du mir Geigenunterricht, Basketballstunden und Englischnachhilfe bezahlen wirst! Und eine Katze wolltest du mir auch kaufen«, ruft sie mit sorgenvoller Stimme.
    »Wann habe ich denn das alles versprochen?«, frage ich verwirrt.
    »Doch, Ossi, du hast Hatice das alles versprochen«, steht meine Frau natürlich sofort ihrer Tochter bei. »Nicht alles auf einmal, aber eins nach dem anderen!«
    »Geige und Basketball verstehe ich ja irgendwie. Wenn sie mal ein Spiel vergeigt, kann sie ihre Wut an ihrem Instrument auslassen. Aber was hat Englisch damit zu tun? Hofft sie etwa sofort in die amerikanische Basketballliga transferiert zu werden? Letzten Monat wollte sie außerdem noch Gitarre lernen, Ballett tanzen, Ken heiraten und mit ihm zusammen in das eigene Barbiehaus umziehen!«
    »Ken will ich nicht mehr, der ist doof«, meldet sich meine Tochter wieder. »Ich will lieber Bill Kaulitz von Tokio Hotel!«
    »Ich höre wohl nicht richtig! Du willst lieber mit einem Jungen in ein Hotel?«, tue ich leicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher