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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder
Autoren: Hugh Walker
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hätte sie ein wenig ihrer Lebenskraft zurückgewonnen, aber deutlich lag noch der Schatten eines zu frühen Alters auf ihren Zügen.
    „Wie viel Zeit ist vergangen?“ fragte ich den Oberinspektor.
    „Nicht ganz eine Stunde“, antwortete Berger.
    Erleichtert bemerkte ich, daß auch Kurt sich zu regen begann. „Es scheint, als wären wir alle wohlauf.“
    Er nickte. „Ich will nichts gegen Ihre Geister sagen, Feller. War es wirklich die tote Anna Bergen, mit der wir gesprochen haben?“ Er sah merklich blaß aus bei diesen Worten.
    „Seien Sie dankbar, daß sie es war“, erwiderte ich. „Kein Lebender hätte uns helfen können.“
    Es gefiel ihm nicht, daß er nun plötzlich mit Geistern leben sollte. Ich konnte es in seiner Miene sehen. Er würde den Rest seines Lebens versuchen, eine andere Erklärung zu finden. So war es mit allen, für die die Welt der Geister nur Furcht barg.
    Wortlos ging ich zur Tür. Ich wollte mir selbst ansehen, was draußen vorging. War es möglich, daß Anna Bergen Erfolg gehabt hatte? Dunkel erinnerte ich mich ihrer Worte. Sie wollte in ihnen sein und dann …? Was dann? Wollte sie von ihnen Besitz ergreifen, wie von Klara? Mit Hilfe dieser Kräfte, von denen sie gesprochen hatte, mochte es vielleicht möglich sein. Aber zehrten nicht auch die Gehrdorfer von diesen Kräften? Waren diese Kräfte die Gefühlsenergie, an die ich glaubte? Oder gab es ältere, dunklere Kräfte, die nicht aus dem Menschen kamen?
    Ich gab es auf, zu grübeln, als ich das Haustor erreichte. Einer der Polizisten stand davor. Er hatte es einen Spalt geöffnet und spähte hinaus in die Dunkelheit. Er machte mir Platz.
    „Alles leer. Sehen Sie selbst!“ Seine Verwunderung war groß. Er hatte nicht mitbekommen, was unten geschehen war.
    Draußen stand niemand. Ich ging hinaus. Was mochte geschehen sein? Wenn es Anna Bergen wirklich gelungen war, die Macht über alle Bewohner des Dorfes an sich zu reißen, wozu hatte sie sie benutzt?
    Der Himmel war klar. Der Boden spiegelte vom Regen des vorangegangenen Gewitters. Ich wandte mich zurück zum Tor und betätigte den Lichtschalter.
    Licht flammte auf. Der Polizist lief erleichtert den Korridor entlang und begann alle Lichter einzuschalten. Das Rathaus gleißte im Glanz der vielen Fenster. Das Dorf war vollkommen dunkel.
    Aber einen Augenblick später flammte in einem Haus Licht auf.
    Gleich darauf bemerkte ich eine Gestalt mit einer Taschenlampe heraus stürzen. Sie lief in das nächste Haus, in dem ebenfalls Licht aufleuchtete.
    Ein Schrei des Entsetzens folgte. Die Gestalt erschien wieder. Der Taschenlampenstrahl zuckte durch die Dunkelheit, als der Träger auf das Rathaus zugelaufen kam. Die Gestalt kam in den Lichtschein, und ich erkannte Schwaber. Auch er erkannte mich und taumelte erleichtert auf mich zu. „Feller!“ rief er aufgeregt mit zittriger Stimme. „Gott sei Dank, Feller. Ich dachte… ich fürchtete daß keine Menschenseele in diesem Dorf mehr lebt. Oh, mein Gott!“
    „Beruhigen Sie sich, Schwaber“, beschwor ich ihn.
    Aber er hörte gar nicht auf mich. „Sie sind alle tot. In jedem Haus überall dasselbe. Alle tot!“
    Berger erschien hinter uns, und die anderen kamen aus dem Haus.
    „Tot?“
    „Ja“, stammelte Schwaber aufgeregt. „Ihr müßt es euch ansehen.“ Er stolperte vor uns her, und wir folgten ihm. Ich zweifelte nicht an seinen Worten. Mir war nun klar, wozu Anna Bergen ihre Macht benutzt hatte. Sie hatte ihre Rache genommen.
    Wir stürzten in das erste der Häuser, in dem noch Licht brannte. Die Zimmer waren leer, aber im Stiegenhaus fanden wir einen Mann. Er hing an einem Strick und starrte uns glasig an. Klara unterdrückte einen Aufschrei. Sie zog Julia mit nach draußen. Wir durchsuchten das Haus. Die Frau hing am Speicher an einem der dicken Dachbalken. In ihren Zügen wie auch in denen des Mannes standen Wut und Angst – ewig festgefroren im Tod. Ihre Gesichter wirkten nicht mehr menschlich. Irgend etwas Teuflisches war in diesen starren Augen, das selbst im Tod noch grausam wirkte.
    Anna Bergens Worte geisterten durch meinen Kopf: Ein Geist, der kalt und grausam war, konnte diese Kräfte nutzen. Aber sie hatte sie auch benutzt! Sie war nicht kalt und grausam. Aber vielleicht hatte dieser unbefriedigte Haß, dieser Rachedurst, als Katalysator gewirkt und diese Kräfte für sie mobilisiert, weil sie ähnlicher Natur waren.
    Aber bewiesen war nur eines: daß es Kräfte gab, derer sich die Lebenden wie die Toten
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