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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder
Autoren: Hugh Walker
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Weile. Und es wird immer kälter. Wie kann es in diesen alten Mauern so kalt sein? Das ist unnatürlich. Wo kommt diese Kälte her?“
    „Aus uns“, sagte Julia leise.
    „Ja, du hast recht“, stimmte ich ihr bei. „Wir frieren innerlich.“
    „Ich kenne das Gefühl.“ sagte Julia mühsam. Ihre Augen waren plötzlich weit aufgerissen, und ihr gealtertes Gesicht spiegelte Angst wider. „Sie nehmen unser Leben!“
    „Was sagst du?“ entfuhr es Berger.
    „Sie nehmen unser Leben“, wiederholte das Mädchen. „Es ist das gleiche Gefühl wie im Käfig, nur nicht so stark. Erst wurde es sehr kalt, und dann tat es so weh, im Bauch und da drinnen.“ Sie deutete auf ihre Brust.
    „Bist du sicher?“ fragte ich. Ich fühlte, wie der Schmerz nach oben stieg und auf die Brust übergriff. Es war noch erträglich.
    Julia nickte heftig. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Sie nehmen uns unser Leben!“
    Ich biß mich auf die Lippen. „Es gibt keinen Grund, zu zweifeln“, sagte ich bedrückt. „Es sieht so aus, als wären sie auch ohne Käfige in der Lage, sich die Lebenskraft zu nehmen. Und es sieht zudem so aus, als könnten wir gar nichts dagegen tun.“
    „Dann gehen wir hinauf und kämpfen!“ rief Berger. „Bevor ich hier zum Tattergreis werde und keinen Finger rühre, kämpfe ich lieber und nehme ein paar von den Teufeln mit!“
    Er rannte auf die Tür zu.
    „Hört mich“, sagte Klara mühsam, als bereitete es ihr große Schwierigkeiten zu sprechen.
    Wir sahen sie alle an. Berger blieb stehen. Ihr Gesicht war verkrampft, ihre Augen hervorgequollen. Sie atmete heftig. Sie erinnerte mich an den Augenblick, als der Mann sich am Altar erhängt hatte. Sie schwankte, aber sie fing sich, bevor jemand sie erreichen konnte, um sie zu stützen. Während die anderen sie besorgt anstarrten, war mir klar, daß Anna Bergen wieder von ihr Besitz ergriffen hatte.
    Willie berührte sie hilfreich, doch sie schüttelte ihn ab. „Klara.“ sagte er erstaunt.
    „Laßt sie“, bat ich. „Sie ist jetzt nicht Klara.“ Und zu ihr gewandt sagte ich: „Wir hören dich, Anna Bergen. Was willst du uns sagen?“
    Der gespannte Ausdruck der Züge verlor sich ein wenig. Ihr Gesicht drehte sich zu mir. „Wir haben schon einmal gesprochen.“
    „Ja“, antwortete ich.
    Julia, die auf Klara zugehen wollte, hielt ich am Arm fest. „Warte“, flüsterte ich.
    „Sie brauchen wieder Leben.“ sagte Klaras Stimme. Es klang bereits flüssiger, als gewöhnte sich das Geistwesen an die Benutzung der Stimme. So war es in den meisten Fällen, wenn ich Klara in Trance erlebt hatte, und wenn das gesuchte Geistwesen ihre Sinne und Organe übernahm.
    Ich bemühte mich, sehr deutlich zu sprechen. „Ja, Anna Bergen. Sie brauchen wieder Leben. Können Sie uns helfen?“
    Eine Weile war Stille. Dann sagte sie: „Ich weiß es nicht. Ich bin hier um Rache zu nehmen. Ich werde Rache nehmen.“
    „An wem?“ fragte ich rasch.
    „Am Mörder meines Kindes“, kam es haßerfüllt von ihren Lippen. „Am Mörder aller Kinder.“
    „Wer?“ fragte ich. „Wer ist es?“
    „Das Böse im Geist der Menschen dieses Ortes. Als ich tot in meinem Haus hing und wußte, wie sie mordeten, da schwor ich Rache zu nehmen. Ich habe Christian gerufen. Er kam, und sein Anblick erinnerte mich fast an vergessene Gefühle. Sie wagten sich einen ganzen Tag lang nicht in das Haus, um ihn vom Strick zu schneiden. Und schließlich rief ich Paul zu mir. Ich werde noch viele rufen.“
    „Es wird nicht mehr viel Zeit bleiben“, sagte ich. Der Schmerz und die Kälte waren gewachsen. Konnte sie uns helfen?
    „Mama!“ schluchzte Julia und riß sich los. Sie umklammerte Klara. „Mama, hilf uns. Es tut so weh.“
    „Julia!“
    Sie schien das Mädchen erst jetzt zu bemerken. Unbeholfen nahm sie ihre Tochter in die Arme. Es mußte schwer für sie sein, diesen fremden Körper zu bewegen, sich in ihm zurechtzufinden.
    Dann sah sie Julias Gesicht, dieses so grausam gealterte Kindergesicht.
    „Ich war zu langsam“, flüsterte sie. „Verzeih mir, mein Liebling.“
    Fest fügte sie hinzu: „Diesmal werde ich nicht zu langsam sein. Dieses Tal schwelt in einem unheiligen Feuer. Ich spürte es an jenem Tag, als ich in meinem Haus hing und nicht starb, als der Haß die einzige Glut war, die mich in dem kalten Körper wärmte. Kräfte streichen über die Erde, blind und unmeßbar, gewaltige Kräfte, die bereit sind für einen Geist, der kalt und grausam genug ist, sie zu benutzen.
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