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Raban, der Held

Raban, der Held

Titel: Raban, der Held
Autoren: Joachim Masannek
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Endlich
    Der Hund mit der Lederhaube und der Motorradbrille saß auf seiner uralten BMW und starrte mich jetzt schon seit Mitternacht an. Seit halb sechs gurrten und nervten die Tauben über mir auf dem Dach, und seit 27 Minuten und 13 Sekunden wurde es hell.
    Ich lag im Bett in der Rosenkavaliersgasse Nr.6 und platzte vor Ungeduld. Verflixte Hühnerkacke! Das war die längste Nacht in meinem neunjährigen Leben! Da endlich flammte der Scheinwerfer des Motorrads auf. Die Zeiger hinter dem Scheinwerferglas rasten über das Zifferblatt. Der Hund mit der Lederhaube gab Gas, und die BMW röhrte auf wie ein Löwe.
    Im Schlafzimmer neben mir stand meine Mutter senkrecht im Bett.
    „Stell das verflixte Ding ab!“, klopfte sie gegen die Wand.
    Doch für mich war das Morgenmusik. Heute war Samstag. Heute war schulfrei, und heute ging es um alles! Heute, am 23.November, fand das letzte Hinrunden-Spiel im Teufelstopf statt. Heute kam der Tabellenführer zu uns, und wenn wir ihn schlügen, würden wir – phänomenal und superhistorisch – Herbstmeister sein!
    „RAAH!“, rief ich. Und noch einmal: „RAAH!“
    Dann erst schaltete ich meinen Hundemotorrad-Wecker ab, sprang aus dem Bett, und zwei Minuten später stand ich in kompletter Wilde Kerle -Montur vor dem Spiegel in der Kleiderschranktür:
    Nachtschwarzes Trikot! Knallorange Stutzen! Das Wilde Fußballkerle -Zeichen auf meiner Brust! Und auf meinem Rücken leuchtete die „99“, die Zahl, die mir Giacomo Ribaldo, der brasilianische Fußballgott, von den Bayern höchstpersönlich ausgesucht hatte. Für meine Unberechenbarkeit, hatte er damals gesagt. Ja, und darüber, über der 99fachen Unberechenbarkeit, stand klar und ganz deutlich: Raban, der Held!
    „Verflixte Hühnerkacke!“, raunte ich mein Spiegelbild an. „Die schießen wir heute direkt auf den Mond! Hörst du! Dafür leg ich beide Beine ins Feuer!“
    Ich ballte die Fäuste, und der Raban im Spiegel tat es mir gleich.
    „Dampfhammerhart und gnadenlos wild!“, beschworen wir uns. „Und unbarmherzig und ohne zu zwinkern!“
    Ich fischte meinen Rucksack mit den Fußballschuhen vom Schreibtisch und rannte zur Zimmertür.
    „Ja, und notfalls kümmere ich mich selber darum. Mit meinem schwächeren Fuß!“
    „Das wirst du nicht!“, konterte eine Stimme. Ich wirbelte noch mal herum und starrte mein Spiegelbild an. Das nahm jetzt die Coca-Cola-Glas-Brille von seiner Nase, putzte die Gläser und musterte mich abschätzend von oben bis unten.

    „Was hast du gesagt?“, fragte ich und rieb mir verdattert die Augen.
    „Das wirst du nicht!“, wiederholte der Raban im Spiegel. „Das weißt du genau. Du hast keinen schwächeren Fuß.“
    Ich wurde so wütend, wie meine Haare rot waren, und trotz Coca-Cola-Glas-Brille verengten sich meine Augen zu zwei drohenden Schlitzen.
    „Was meinst du damit?“, zischte ich, doch mein Spiegelbild zuckte nur mit den Achseln.
    „Wer einen schwächeren Fuß hat, Raban, der muss auch einen stärkeren haben, findest du nicht?“
    Ich schnappte nach Luft.
    „Okay! Okay! Wie du willst!“, kämpfte ich mir mein unerschütterliches Selbstvertrauen wieder zurück.
    „Ich finde, du bist ein dämliches Spiegelbild. Und die haben nicht den Hauch einer Chance! Nicht den Hauch! Schreib dir das gefälligst hinter die Ohren!“
    Dann rannte ich raus. Wild und entschlossen schlug ich die Tür hinter mir zu, und jedem, der mir gesagt hätte, dass ich vor etwas weglaufen würde, dem hätte ich Beine gemacht.
    Ja, hallo, ihr da! Falls ihr das jetzt noch nicht wisst. Ich bin’s: Raban. Raban, der Held!

    Und ich hab keine Angst. Ich hab den Dicken Michi besiegt. Höchstpersönlich habe ich das, ja, und zwar mit meinem schwächeren Fuß. „DABAMM!“, hat es damals gemacht. Könnt ihr euch jetzt gefälligst erinnern?! Genau! Und deshalb gehöre ich so todsicher zu den Wilden Fußballkerlen dazu wie der Quark auf die Torte.
    „Das tust du nicht!“, quäkte mein Spiegelbild hinter mir her. Doch von dem hatte ich erst einmal die Nase voll. Ich hörte einfach nicht hin.

Ein Held geht seinen Weg
    Ich rannte aus meinem Zimmer hinaus auf die Galerie und die Treppe in die Halle hinab. Dort hatten mich noch im Frühling die drei Töchter der Freundinnen meiner Mutter gequält. Sie hatten mir Lockenwickler in die Haare gedreht, während sich meine Freunde, die Wilden Kerle , verzweifelt gegen den Winter aufbäumten. Während Maxi „Tippkick“ Maximilian, der Mann mit dem härtesten Schuss auf
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