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Raban, der Held

Raban, der Held

Titel: Raban, der Held
Autoren: Joachim Masannek
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Meine Mutter interessierte sich für einen Fußball? Das konnte nicht sein. Das musste ich testen. Also gab ich ihn ihr und erwartete, dass sie ihn, wenn sie ihn einmal berührte, wie einen toten Fisch fallen ließ. Doch ich irrte mich wieder. Meine Mutter berührte und betrachtete das schwarze runde Leder, als sei es der kostbarste Diamant. Ehrfurchtsvoll betastete sie sogar das Logo, das auf ihn aufgedruckt war. Dann schaute sie mich nachdenklich an, schluckte, räusperte sich und sagte dann etwas, was sie noch nie gesagt hatte. Und wieder zitterte ihre Stimme.
    „Ich muss mich bei dir entschuldigen, Raban. Ich hab dein Weihnachtsgeschenk nicht richtig geachtet. Das tut mir leid. Aber seit heute weiß ich, dass es das Kostbarste war, was du mir schenken konntest. Ich hab von Fußball überhaupt keine Ahnung, weißt du, aber ich werde ab jetzt bei jedem Heimspiel der Wilden Fußballkerle vor Willis Kiosk unter dem Regenschirm sitzen, und ich werde euch anfeuern. Das verspreche ich dir!“
    Meine Mutter wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.
    „Verflixte Hühnerkacke! Und ich freue mich auch auf die Bockwurst und die Apfelsaftschorle. Ich möchte nur wissen, ob du mir verzeihst?“
    Sie schluchzte. Ich wollte ihr etwas sagen, doch bevor ich antworten konnte, lag ich längst schon in ihren Armen.
    Wie ich danach in mein Bett kam, weiß ich heute nicht mehr. Auf jeden Fall schlief ich tief und fest bis in den Nachmittag hinein. Erst dann wachte ich auf, öffnete meine Augen, und für eine Schrecksekunde dachte ich wirklich, ich hätte das alles nur geträumt. Doch dann fühlte ich den Ball, den schwarzen Wilde Kerle -Ball, der neben mir auf dem Kopfkissen lag, und dann meldete sich jemand zu Wort, den ich nur zu gut kannte und mit dem ich noch ein gehöriges Hühnchen zu rupfen hatte.
    „Bravo! Du hast es geschafft!“, spöttelte er, und ohne meine Brille aufzusetzen, schaute ich zum Kleiderschrank hin.
    Das ganze Zimmer waberte hinter faustdicken Nebelschwaden, doch der Raban in seinem Nadelstreifenanzug im Spiegel war scharf.
    „Du hast es wirklich geschafft. Das hätte ich niemals erwartet. Verflixt!“, ärgerte sich mein Spiegelgeist. „Raban, der Blindfisch, hat endlich die Augen geöffnet. Dass ich das noch erleben darf.“
    „Genau!“, grinste ich und schien seinen Spott überhaupt nicht zu beachten. „Jetzt hast du das erlebt und jetzt kannst du verschwinden. Ich brauch dich nicht mehr. Los hau ab!“

    „Heyheyhey!“, protestierte der Kerl. „Werd nicht größenwahnsinnig. Du hast dich gerade einmal wie ein neunjähriger Junge benommen. Und ich wette, es werden keine zwei Wochen vergehen, bis du mich wieder brauchst.“
    „Wenn das der Fall sein sollte, sag ich dir gerne Bescheid“, konterte ich, und zum ersten Mal wurde der Raban im Spiegel nervös.
    „Du bist undankbar, weißt du das?“, drohte er mir. „Ich habe dich aufgeweckt und wachgerüttelt. Du kannst noch viel von mir lernen.“
    „Was du nicht sagst?“, staunte ich jetzt. „Du kannst also alles besser als ich?“
    „Bingo. Du hast es geschnallt!“, trompetete der Spiegelgeist und zog seinen Nadelstreifenanzug in die Länge, als wollte er sich dadurch noch größer und wichtiger machen.
    „Okay! Und du wettest gern, hab ich Recht?“
    „Ja. Ich wette gern und ich gewinne immer!“, blies sich der Raban im Spiegel jetzt auf, als wolle er platzen.
    „Gut. Dann wetten wir doch. Wetten wir darum, dass du deinen Nadelstreifenanzug gegen meinen Spiderman-Pyjama eintauschst und für immer verschwindest. Oder wenigstens so lange, bis ich dich brauche und rufe. Falls das jemals der Fall sein sollte.“
    „Das klingt ja richtig wie Leben, Teufel und Tod? Doch was machst du, wenn du die Wette verlierst, und wie wetten wir überhaupt? Willst du etwa gegen mich Fußball spielen?“
    Ich grinste ihn an.
    „Wenn ich verliere, kannst du mich für immer und ewig und wann du willst nerven.“
    „Okay! Abgemacht!“, eiferte der Spiegelgeist fast schon bösartig. So freute er sich darauf, mich in Zukunft zu quälen. „Und wie läuft die Wette jetzt ab?“
    „Wir werden uns einfach beschimpfen. Das kannst du doch, oder?“, erklärte ich ihm. „Immer schön abwechselnd und wenn dem anderen die Spucke wegbleibt und er keine Antwort mehr weiß, hat er verloren.“
    „Okay! Okay! Abgemacht! Und wenn du nichts dagegen hast, fang ich auch sofort an!“, holte der Raban im Spiegel tief Luft und polterte los: „Du bist eine plattfüßige
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