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Raban, der Held

Raban, der Held

Titel: Raban, der Held
Autoren: Joachim Masannek
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Dann stellten wir uns im Kreis drumherum auf. Der Ball wanderte wie eine magische Kristallkugel von Hand zu Hand, und nachdem ihn jeder einmal gefühlt, gespürt, geschmeckt und gerochen hatte, legte ich ihn auf das Fass. Dann begann ich zu sprechen: „Okay. Und jetzt sage ich euch, was meine Aufgabe ist. Ich habe sie noch nicht ganz kapiert, aber das ist auch schnurzpiepegal. Wichtig ist nur, dass wir wieder ein gemeinsames Ziel haben werden. So wie das Spiel gegen den Dicken Michi, gegen die Bayern oder die Meisterschaft, die ich vergeigt hab. Also. Spitzt jetzt die Ohren: Unser Ziel ist, dass wir alle bei der WM 2006 mitspielen werden!“
    Sofort war es still. Ich war von mir selbst beeindruckt. So super hatte ich noch nie so lange gesprochen. Doch die anderen schwiegen aus einem anderen Grund.
    „Bist du sicher?“, fragte Leon vorsichtig nach. „Meinst du nicht vielleicht 2010 oder vielleicht sogar 2014?“
    „Nein! Das meine ich nicht!“, antwortete ich fest und entschlossen.
    „Aber weißt du, wie alt wir dann sind?“, fragte Marlon. „Mit dreizehn oder vierzehn spielt keiner bei einer WM.“
    „Ich hab doch gesagt, ich hab die Aufgabe noch nicht ganz verstanden“, erinnerte ich sie.
    „Ja, aber Raban!“, gab Vanessa jetzt zu bedenken. „Du weißt, was ich werden will. Die erste Frau, die in der Männer-Nationalmannschaft spielt. Und ich habe dich heute mit den Fußballgeistern gesehen. Auch der Ball ist kein Traum. Aber das mit der WM 2006, das ist einfach unmöglich.“
    „Einfach, okay“, nickte ich. „Dann frag ich euch jetzt ganz einfach: Seid jetzt ganz ehrlich. Wenn ihr die Wahl hättet, bei der WM 2006 dabei zu sein oder nicht: Was würdet ihr tun?“
    „Das ist eine ganz gemeine Frage!“, zischte Vanessa.
    „Ich weiß. Aber sie gibt uns die richtige Antwort. Also: Wollt ihr bei der WM 2006 sein oder wollt ihr das nicht?“ Ich grinste frech in die Runde. Keiner der Wilden Fußballkerle dachte jetzt an ein ,Nein’. Jeder wollte 2006 dabei sein. Nur Vanessa zögerte noch.
    „Und? Was ist mit dir?“, fragte ich sie.
    „Lass mich in Ruhe. Das weißt du genau!“, schimpfte sie, und dann streckte sie als Erste ihre Hand aus.
    „Komm schon, worauf wartest du noch. Bringen wir’s hinter uns!“, trieb sie uns an, und wir taten ihr den Gefallen.
    Wir streckten alle die Hand aus, berührten den Wilde Kerle -Ball, spürten dessen schwarze, runde Magie und versprachen uns dann aufrichtig und ehrlich im Chor:
    „Wir, die Wilden Kerle e.W. aus dem Teufelstopf in Grünwald, sind bei der Weltmeisterschaft 2006 mit von der Partie. Das versprechen: Leon der Slalomdribbler; Marlon, die Nummer 10; Fabi, der schnellste Rechtsaußen der Welt; Rocce, der Zauberer, Raban, der Held; Jojo, der mit der Sonne tanzt; Joschka, die siebte Kavallerie; Juli „Huckleberry“ Fort Knox, die Viererkette in einer Person; Maxi „Tippkick“ Maximilian, der Mann mit dem härtesten Schuss auf der Welt; Vanessa, die Unerschrockene; Deniz, die Lokomotive; Markus, der Unbezwingbare, und Felix, der Wirbelwind. Wir versprechen uns das am 1. Januar 2003.“

    Wow! Das war gut. Für einen Moment war es still. Dann brach ein Feuerwerk los. Wir stürzten aus Camelot raus, und da sahen wir Willi, der zusammen mit all unseren Eltern ein verspätetes Silvesterfeuerwerk veranstaltete, von dem ich, der alte Bleigießer, bisher keine Ahnung hatte.
    Alle Eltern kamen und gratulierten uns, und ganz besonders gratulierten sie mir herzlichst. Das Abenteuer hatte sich längst schon herumgesprochen. Nur meine Mutter war nicht dabei, und deshalb ging ich, sobald es die Höflichkeit und die Gratulanten zuließen, endlich nach Hause.

Raban, der Held
    Es war fast schon halb fünf Uhr früh, als ich nach Hause kam, und trotzdem wartete meine Mutter auf mich. Sie saß in der Halle in einem Sessel und schlief. Vorsichtig schlich ich an ihr vorbei. Ich war müde, und das Donnerwetter, mit dem ich jetzt rechnen musste, wollte ich lieber auf morgen verschieben. Doch das war schlichtweg unmöglich. An seiner Mutter schleicht kein Sohn vorbei, besonders dann nicht, wenn sie auf ihn wartet. Dafür liebt sie ihn viel zu sehr, und mit dieser Liebe spürte meine Mutter, dass ich zurück war, und öffnete ihre Augen.
    Ich erstarrte zu Eis, doch dann glaubte ich nicht, was ich hörte und sah:
    „Kann ich den einmal anfassen?“, fragte meine Mutter mich und deutete auf den schwarzen Wilde Kerle -Ball unter meinem Arm.
    Ich war vollkommen baff.
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