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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire
Autoren: Thomas B. Davies
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genug bekommen können, bis Jerry ihr die Waffe abnahm und riet, ihr offensichtliches Talent für eine ernstere Gelegenheit aufzusparen. War die jetzt gekommen?
    Ann öffnete die Patronenkammer und fand die Waffe geladen. Jetzt, da sie das gefährliche, kleine Ding in der Hand hielt, fühlte sie sich auf einmal sicherer. Mit dem Daumen am Sicherungshebel ging sie ins Bad, und sie ließ die Waffe auch nicht aus der Hand, als sie die Spuren dieses merkwürdigen Überfalls notdürftig beseitigte.
    Sie trat wieder ins Zimmer und steckte sich eine Zigarette an. Immer noch hatte sie das merkwürdige Kreischen im Ohr, mit dem das Untier oder wer immer es sein mochte, verschwunden war. Es hatte wie eine ungeölte Angel, wie ein altes Scharnier geklungen. Sie nahm die Waffe in die Linke und probierte die Klappe des Müllschluckers. Sie ließ sich ohne Geräusch bewegen. Die Tür des Apartments war abgeschlossen und kam nicht in Frage. Ihr Blick fiel auf das Gitter des Luftschachts. Unentschlossen probierte sie daran herum, und sofort erkannte sie das Geräusch wieder.
    Durch den Schacht? Sie horchte mit angehaltenem Atem in die finstere Höhlung hinein. Ein weit entferntes Dröhnen ließ sie vermuten, daß im Keller die Klimaanlage arbeitete.
    Sie wollte den Kopf schon zurückziehen, als etwas von oben herab gesaust kam. Etwas Bleiches, fast Gestaltloses schoß dicht an ihrem Gesicht vorbei und wirbelte in einem Sog nach unten. Sie erschrak und hätte fast instinktiv abgedrückt. Aber da war nichts mehr, auf das sie den Revolver hätte richten können. Nur ein fremdartiger Geruch nach frischen Pilzen schien in der Luft zu schweben. Mit einem Mal erinnerte sie sich an den Traum, den sie gehabt hatte.
    Sie ging ein paar Schritte ins Zimmer hinein. Was sie soeben erlebt hatte, mußte jedem anderen als höchst unglaubwürdig erscheinen. Das durfte es doch gar nicht geben, Tiere oder halb menschliche Wesen, die sich durch die Schächte eines modernen Hochhauses bewegten, gar in die Zimmer eindrangen. Ihre Hand fuhr zu den Wunden an ihrem Hals. Sie hatte den Beweis, daß es so etwas doch gab. Aber was war es wirklich?
    Und ein neuer Gedanke kam ihr. War Jerry etwa auch solch unheimlichen Wesen begegnet? War er vielleicht sogar in ihrer Gewalt? Sie biß sich auf die vollen Lippen.
    „Verdammt“, sagte sie halblaut, „ich spinne. Wenn ich jemandem davon erzähle, sperren sie mich glatt ein.“
    Sie ging mit entschlossenen Schritten zum Tisch, goß sich das Wasserglas halb voll Gin und trank es aus. Dieser Gin war wenigstens wirklich, schmeckte scheußlich und besänftigte das laute Pochen des Blutes in ihren Schläfen. Aber als Heilmittel gegen nächtliche Blutsauger in einem modernen Hochhaus taugte er gewiß nicht, das war ihr klar.
    Sie richtete den Sessel auf und setzte sich. Als Medizinstudentin im sechsten Semester hielt sie sich für durchaus im Stande, eine Situation zu analysieren. In erzwungener Ruhe ordnete sie die Tatsachen, die ihr bekannt waren, aber als sie anfing, leise mit sich selbst zu reden und die logischen Schlüsse zu ziehen, blieb ein allzu großer Rest von Unerklärlichem.
    Sie stand auf und trat vor den Spiegel, den Jerry aus seiner Heimat in den Bergen mitgebracht und hier aufgehängt hatte. Dann sah sie sich selbst fest in die Augen.
    „Ann Marley“ sprach sie sich an, „du bist nicht verrückt. Wenn du redest, bewegt sich dein Mund und du hörst deine Stimme. Hinter dir steht niemand.“ Sie hielt inne, scheu blickte sie sich um. Natürlich stand niemand hinter ihr.
    Aber als sie erneut in den Spiegel sah, stockte ihr das Blut in den Adern. Da war ihr Bild, sie sah sich, Ann Marley. Aber das Spiegelbild machte auf einmal keine ihrer Bewegungen mehr mit, es sah sie reglos an, voller Leben und doch so, als sei es erstarrt und gestorben.
    Zögernd ging sie ein paar Schritte rückwärts. Das Bild verkleinerte sich nicht wie gewohnt. Unverrückbar war es in den barocken Rahmen gebannt.
    Sie konnte den Blick nicht davon lösen, als sie langsam das Apartment verließ. Im Flur warf sie die Tür donnernd ins Schloß. Das Echo schien in den Korridoren widerzuhallen, und damit fiel auch ein Teil des Entsetzens von ihr ab. Hastig rannte sie auf die Lifts zu. Es schien ewig zu dauern, bis eine Kabine herauf glitt. Ebenso lange kam ihr die Fahrt hinunter vor. Die Musik, die tags alle gemeinschaftlich zugänglichen Räume erfüllte, war um diese Stunde abgeschaltet.
    Ihre Absätze klapperten auf dem Steinboden der
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