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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire
Autoren: Thomas B. Davies
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eindringen und menschliches Blut abzapfen wollen. Von kichernden Kobolden, die in Telefonschränken hausen und unanständige Wörter in die Leitungen wispern. Oder von bleichen Wesen, die durch Luftschächte kriechen. Was ist Ihnen, Mr. Boland?“
    Jerry Boland fühlte, daß ihm plötzlich der Schweiß auf der Stirn stand. Der Arzt drückte ihn in die Kissen zurück.
    „Vielleicht ist es doch ganz gut, wenn Sie sich hier ein paar Tage ausruhen“, sagte er milde und wie mit unterdrückter Genugtuung. Lautlos verließ er das Zimmer.
    Die plötzliche Stille war fast mit Händen zu greifen. Draußen, aber viel weiter entfernt, harkte jemand immer noch den Kies, und die dicht gelaubten Äste vor dem Fenster warfen zuckende Schatten auf die weißen Wände.
     

     

Ann Marley war im Sessel eingeschlafen.
    Gegen halb elf, als die Hauptprogramme der Fernsehanstalten zu Ende gingen, verlöschten viele Lichter an den Fassaden der Wohntürme.
    Später kam der Mond am Horizont heraufgestiegen. Es war ein voller, rötlicher Mond, der übergroß am Himmel stand. Die Hochhäuser warfen lange Schatten auf die baumlosen, planierten Flächen, wo neue Siedlungen entstehen sollten. Von den Spitzen ihrer Antennen leuchteten die roten Lampen der Flugsicherung.
    Die Stille hatte etwas beklemmendes. Auch die Hochhäuser waren scheinbar zur Ruhe gegangen. Nur ein stetiges, leises Fauchen in den Luftschächten verriet, daß tief unten in den Kellern die Kompressoren arbeiteten. Mitunter rauschte eine Druckspülung, aber selbst in den Eingangshallen hatten sich die Neonröhren automatisch ausgeschaltet, und nur die matten Punkte der Nachtbeleuchtung glommen in den Ecken.
    Und doch war Leben in den Türmen. Hätte jemand das Ohr an die Wände der Nottreppenhäuser gelegt, hätte er es knistern hören. Wandpaneele knackten, in den Hohlräumen der dicken Mauern rührte sich etwas, in den endlos tiefen Röhren stieg es auf und nieder.
    Ann Marley bewegte sich im Schlaf. Sie atmete plötzlich schwerer. Etwas schien ihr auf der Brust zu lasten. In ihrem Traum war es ein plumpes, unförmiges Wesen, das sie mit haarigen Spinnenbeinen umklammerte und mit dünnen Fühlern über ihr Gesicht strich. Sie versuchte, es abzuwehren, aber es ließ sie nicht frei. Immer schwerer wurde das Gewicht. Jetzt vermeinte sie auch, die Ausdünstungen des tierischen Körpers zu riechen, einen fauligen Pilzgeruch, der ihr Übelkeit verursachte und den Magen umdrehte.
    Sie wand sich im Sessel und stöhnte.
    Dann fühlte sie auf einmal einen Stich am Hals und kehrte ins Bewußtsein zurück.
    Das erste, was sie spürte, war wirklich ein Gewicht, das auf ihr lastete. Mit beiden Händen griff sie danach, packte in ein Gewirr von schleimigen Haaren und hatte dünne, eiskalte Haut zwischen den Fingern. Jetzt wurde ihr auch der Schmerz am Hals bewußt. Mit einem Ruck versuchte sie, sich zu befreien. Dicht vor ihrem Gesicht fauchte etwas bösartig und blies ihr übelriechenden Atem in die Nase. Ann würgte, ihr Magen revoltierte. In wilder Panik schlug sie um sich, warf sich hin und her, dann bekam sie mitsamt dem Sessel das Übergewicht und kippte. Im Fallen noch spürte sie, wie sie auf einmal frei war. Ihr Kopf schlug auf den Teppichboden.
    Hellwach, vernahm sie schnelle, leichte Schritte. Etwas kreischte in ungeölten Angeln, eine Klappe schloß sich.
    Ann stützte sich auf. Es dauerte eine Weile, ehe sie hochkam. Ihre Knie zitterten. Sie hatte die Schuhe verloren und tappte barfuß durch das Dunkel, immer noch in der Furcht, plötzlich auf irgend etwas zu treten, was ihr neues Entsetzen durch den Körper jagen würde.
    Aber sie erreichte den Lichtschalter. Die Leuchtröhre flackerte und flammte auf. Ann blickte sich um. Das Zimmer sah so normal aus wie zu jeder anderen Stunde. Vor dem umgekippten Sessel lagen ihre Schuhe, das war alles. Als sie jedoch in den kleinen Barockspiegel blickte und ihr Gesicht erkannte, erschrak sie. Am Hals blutete sie aus zwei Wunden, die sich dicht über der Schlagader befanden. Ihre Bluse war zerrissen, die Frisur verwüstet und voller dunkler Flecken.
    Mit zwei Schritten war sie bei dem kleinen Schränkchen neben der Tür und zog sie Schublade auf. Da lag der Revolver, den Jerry von irgendwoher mitgebracht und ihr einmal vorgeführt hatte. In einer Sandgrube draußen auf dem Ödland vor der Stadt hatten sie auf alte Konservendosen geschossen, und bei der Knallerei waren in Ann plötzlich uralte Jagdinstinkte wachgeworden. Sie hatte kaum
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