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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire
Autoren: Thomas B. Davies
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als schabten lange Fingernägel über ein Blech. Er kniff die Augen zusammen. Manchmal, in den Nächten vorher, hatte er schon geglaubt, dieses Geräusch im Schlaf zu hören. Jetzt, im Wachen, war es ganz deutlich. Was mochte das sein?
    Er strich sich mit der Hand über die Stirn. Vielleicht machten seine Nerven nicht mehr mit. Zuviel Arbeit, Kaffee, und … seine Augen gingen zu der Flasche mit billigem Gin. Die Hand tastete danach, er setzte sie an den Mund und nahm einen tiefen Schluck.
    Aber da war es wieder, das Schaben und Knistern. Eindeutig kam es vom Gitter des Luftschachts. Er versuchte, das Dunkel mit seinem Blick zu durchdringen. Der Gin wärmte ihm den Magen und machte ihn ruhig. Entschlossen packte er die Tischlampe und richtete den Lichtschein auf die Wand.
    Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Die Hand begann zu zittern.
    Lange, weiße Finger mit durchscheinenden Nägeln hatten sich von innen um die dünnen Stäbe des Gitters gekrampft. Runde, rötliche Augen, die in einem dünn behaarten, bleichen Schädel saßen, starrten ihn an. Die schmalen Schultern waren wie von einem schmutzigen Flaum bedeckt.
    Das Wesen blickte unverwandt ins grelle Licht, aber Jerry Boland fühlte, daß diese übernatürlich großen Augen ohne Iris, ohne Lider, blind waren.
    Angst schnürte ihm die Brust zusammen. Er schwankte, die Lampe fiel zu Boden und zersprang.
    Jerry Boland tastete nach dem Feuerzeug und der Kerze, die auf dem Bücherregal standen. Das Flämmchen warf seinen huschenden Schein durch den Raum.
    Langsam und angstvoll wandte Boland seinen Blick zu dem Gitter des Luftschachts. Er blinzelte. Jetzt war da nur noch das schwarze, eiserne Geflecht und dahinter die Dunkelheit. Er horchte, irgend etwas summte in dem riesigen Komplex des Hochhauses.
    Jerry überwand seine Furcht und ging bis zur Wand. Er beugte sich nieder und sah in den Schacht hinein. Weit unten rauschte es, und ein merkwürdiger Geruch strömte ihm entgegen. Das war ihm schon einige Male aufgefallen, aber er hatte sich eingeredet, daß die Luft vermutlich mit irgendwelchen Chemikalien gefiltert würde. Jetzt roch er etwas anderes: Moder, den warmen Dunst der Verwesung. Und plötzlich glaubte er, den metallisch-faden Geschmack von Blut auf der Zunge zu spüren. Er ging zur Tür und schaltete die kalte, weiße Deckenbeleuchtung ein. Er war Physikstudent und nicht abergläubisch, was war mit ihm los?
    Zunächst mußte er einmal den seltsamen Geschmack loswerden. Entschlossen griff er nach der Ginflasche und trank. Dann steckte er sich eine Zigarette an und überlegte. Zweifellos war die merkwürdige Erscheinung ein lebendes Wesen, vielleicht ein Tier gewesen. Seinen Augen konnte er vertrauen. Mißtrauisch maß er den Flüssigkeitsspiegel in der Ginflasche, er hatte keinesfalls so viel getrunken, daß sich Halluzinationen einstellen konnten.
    Eine Idee kam ihm, man mußte irgendwo Bescheid sagen. Mochte der Himmel wissen, wer sich da in das System von Schächten und Kaminen verirrt hatte! Er suchte nach seinem Zimmerschlüssel und ging hinaus auf den Flur.
    Hinten, am Ende des langen Ganges, leuchteten die grünen Signallichter der Lifts. Er ging darauf zu. Ein Glockenzeichen verkündete, daß eine Kabine auf diesem Stockwerk angekommen war. Die Türen glitten auseinander, und er trat ein.
    Die Lifttüren schlossen sich hinter Jerry Boland. Er drückte auf den Knopf ganz unten, am Ende der Skala. Aus dem Lautsprecher klang wie immer die gedämpfte Musik, die alle Lifts, die Hallen, das Restaurant im Erdgeschoß und sogar die Toiletten erfüllte. Er nahm sie so wenig wahr wie das leise Rauschen des abwärts gleitenden Lifts. Die Leuchtzahlen auf der Anzeigetafel kamen bei B 3, dem dritten Untergeschoß, zum Stehen.
    Die Türen schoben sich zurück. Jerry trat hinaus. Hier gab es nicht einmal mehr die billige Eleganz der Wohn-Etagen. Keinen PVC-Belag auf dem Boden, keine Lichtgitter an den Decken. Vom nackten, grauen Beton leuchtete eine grelle Neonröhre. Ein aufgemalter Pfeil wies zur Nottreppe, ein anderer zur technischen Zentrale. Jerry wandte sich nach links und folgte den dicken Kabelsträngen, die an der Decke verlegt waren.
    Als er die schwere Stahltür auf wuchtete, die den Gang abschloß, schlugen ihm feuchtwarme Luft und viele Geräusche entgegen. Er befand sich in der technischen Zentrale des Hochhauses. Mächtige Betonsäulen, auf denen der ganze Bau ruhte, stützten die hohe Decke, die sich im Dunkel verlor. Weit hinten brausten
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