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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire
Autoren: Thomas B. Davies
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Liturgie.
    Ein paar junge Mädchen waren außer Rand und Band geraten. Sie begleiteten die Musik mit schrillen Schreien und verrenkten ihre Glieder in dem breiten Gang, der zum Altar führte. Das Licht zerfloß und wechselte seine Farbe. Reflexe zuckten über die Wände, Blitze schienen aus dem Altar zu schießen. Das Heulen der Orgel übertönte alles und machte Ann beinahe taub.
    Neben ihr tanzte ein Mann in Jeans und Pullover. Er hatte Schaum vor dem Mund, und seine Augen waren halb geschlossen. Eine fette Frau wälzte sich auf dem Boden und schlug sich immer wieder die Hände vor das Gesicht, während ein junger Angestellter, den sie aus der Wäscherei kannte, in die Knie gesunken war, den Oberkörper weit nach rückwärts bog und in dieser Stellung den Kopf hin und her warf.
    Immer dunkler wurde es. Ann konnte sich nicht vorstellen, daß sich der Lärm und der stampfende Rhythmus noch steigern konnten. Aber da endete alles mit einem plötzlichen Donnerschlag, der von einem grellen Blitz begleitet war. Mit einem Mal war vollkommene Stille, nur hier und da klang ein Stöhnen auf.
    In der Mitte schien der Altar noch höher zu wachsen. Er war in rotes Licht getaucht, das immer intensiver wurde.
    Voller Entsetzen erkannte Ann den nackten Körper eines jungen Mädchens, das auf dem Altar lag. Die langen, blonden Haare, die jetzt ebenfalls rot leuchteten, flossen zu beiden Seiten des Tisches herunter.
    Vor dem Altar aber, erst jetzt von dem roten Licht erfaßt, stand ein Mann. Er war größer als ein Mensch und in wogendes Gold gehüllt. Seine Augen warfen Lichtblitze wie Diamanten.
    Als er sich langsam zu der Menge wandte, die jetzt zu Füßen des Altars kniete, füllte in hohen Tönen eine kurze, immer wiederkehrende Melodie den Raum. Sie schien von oben zu kommen und um sie zu kreisen.
    Der Mann hielt plötzlich eine lange Klinge in beiden Händen. Seine Finger glitten von der Mitte, wo er sie umfaßt hatte, über die haarscharfe Schneide zu den Enden, ohne sich zu verletzen. Vor ihm sprang eine blaue Lohe aus dem Boden, die Flamme stand still, ohne zu flackern. Er tauchte die Spitze der Klinge hinein, bis sie weiß glühte. Das Feuer sank wieder in sich zusammen.
    Der Mann drehte sich um und hob die Klinge über seinen Kopf, hoch über das Mädchen, das schutzlos vor ihm lag.
    Ann fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Sie war wie betäubt und in einem engen Käfig gefangen. Unmerklich hatte die Szene von ihr Besitz ergriffen und sie in Bann geschlagen. Ein letzter Rest von Bewußtsein wehrte sich gegen das Entsetzliche, das jetzt gleich dort oben geschehen mußte, aber gleichzeitig fühlte sie, daß ihr Wille zu schwach war.
    Der Hohepriester hielt immer noch die gleißende Klinge in die Höhe. Die weiße Glut begann schon nachzulassen. Die singende, kreisende Musik stoppte, begann von neuem. Ann gewahrte mit Erstaunen, wie der Hohepriester zu zittern begann. Ein Krampf schien ihn zu packen und zu schütteln. Er hielt nun die Klinge mit der Rechten und versuchte, sie in das Mädchen zu senken, das auf dem Opfertisch lag. Er griff mit der Linken zu, packte die immer noch glühende Spitze. Es zischte überlaut in der Stille, und Dampf stieg auf.
    Die sieben Priester, die bis jetzt ebenfalls zu Füßen des Altars gekniet hatten, sprangen entsetzt hoch. Aber sie erstarrten in der Bewegung.
    Hinter dem Altartisch stand auf einmal ein Fremder. Ann sah, daß er entfernte Ähnlichkeit mit Professor Davidson hatte. Aber er war viel größer, sein Gesicht strahlte unbarmherzige Härte aus. Langsam hob er beide Hände. Hell wie die Sonne strahlte darin das goldene Zeichen des chaldäischen Skarabäus. Es schien das rote Licht auf dem Altar auszulöschen und den ganzen Raum zu erhellen. Die regungslosen Menschen warfen plötzlich fahle Schatten. Die Musik brach ab.
    „Frango te, condamno te, extinctus es, Molece!“ hallte die Stimme des Fremden über die reglose Gemeinde, und die Luft schien auf einmal eiskalt zu sein wie ein Gletscherwind. Der Hohepriester, schon fast ganz von seinem eigenen Schatten umhüllt, stieß einen wilden Schrei aus. Die Klinge verlor ihren Glanz und zerbrach in tausend Stücke. Nebel wallte auf, wo der Mann gestanden hatte. Das goldene Gewand fiel in sich zusammen.
    Davidson, der immer noch den chaldäischen Skarabäus in den Händen hielt, beugte sich zurück und richtete sein strahlendes Licht nach oben. Es hob den Himmel aus der Dunkelheit, das in allen Farben schimmernde Paradies. Aber sobald der
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