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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire
Autoren: Thomas B. Davies
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helle Schein darauf fiel, verblaßten die Farben. Das Bild verlor seinen Glanz und zerfiel. Der tiefblaue Hintergrund färbte sich grau, es war, als zögen Wolkenschleier darüber. Nebel quollen auf und senkten sich lautlos in den Saal herab.
    Ann fühlte eine unendliche Müdigkeit in sich aufsteigen. Sie sah, wie andere neben ihr taumelten und zu Boden sanken.
    Hedwige fing sie auf.
     

     

Es war ein Morgen, wie ihn nur der Winter bringt. Schnee war über Nacht gefallen und hatte die ganze Stadt eingehüllt. Darüber spannte sich ein strahlend blauer Himmel.
    Ann war in Professor Davidsons Haus erwacht, auf der alten Ledercouch in der Bibliothek. Die vergangene Nacht – hatte sie das wirklich alles erlebt, oder war dies noch die Nacht, in der sie den Professor um Hilfe gebeten hatte?
    Hedwige war zu ihr gekommen und hatte sie ins Bad begleitet.
    „Wo ist der Professor?“ hatte Ann schlaftrunken gefragt, und dann, in plötzlichem Entsetzen: „Wo ist Jerry? Wie geht es ihm?“
    Hedwige hatte sie hinuntergeführt ins Terrassenzimmer, das sie nun schon kannte. Am Frühstückstisch saß Jerry wohlbehalten. Er sprang auf und riß beinahe das Tischtuch herunter, als er ihr entgegeneilte und sie in seine Arme schloß. Erst dann fand sie Zeit, Davidson zu begrüßen. Der Alte hatte eine spitzere Nase denn je, und die weißen Haare hingen zu beiden Seiten des gebräunten Gesichts bis auf den altmodisch geschnittenen Rockkragen. Er zwinkerte ihr zu, als sie ihn fragend ansah.
    „Setzen Sie sich, Miß Marley.“ Er schob ihr einen Stuhl hin.
    Ann setzte sich.
    „Was ist nur geschehen?“ fragte sie endlich. „Ich weiß nur, daß ich in dieser entsetzlichen Versammlung stand und auf einmal todmüde umgefallen sein muß.“
    „Tut mir leid, daß ich Sie davon nicht ausnehmen konnte. Alle sind umgesunken und in tiefen Schlaf gefallen“, sagte Davidson. „Es war die beste Lösung. Ich denke, irgendwann in der Nacht sind sie aufgewacht und in ihre Apartments zurück getorkelt. Heute morgen wissen sie nichts mehr und erinnern sich nur noch dunkel, daß irgend etwas Schreckliches und sehr Peinliches vorgefallen sein muß. Und immer, wenn sie daran denken, werden sie einen leichten Schauder spüren und schnell ihre Gedanken auf etwas anderes richten.“
    „Alle?“ fragte Ann und sah im Geist das verzerrte Gesicht des Hausverwalters vor sich.
    „Nicht alle.“ Davidson schüttelte den Kopf. „Einige werden eine Weile in der Klinik bleiben müssen, die unser Freund Jerry ja schon kennt. Da kann der junge Doktor ihre Gehirnströme messen und sich erfolglos abmühen, die Sperren zu durchbrechen, die ich in ihr Unterbewußtsein gelegt habe.“
    „Was ist mit den Kindern?“ fragte Ann.
    „Und mit dem Mädchen, das geopfert werden sollte?“ fügte Jerry Boland hinzu. Davidson tauchte seinen Löffel in eine dampfende, kleine Kupferpfanne und lud sich den Teller voll.
    „Da niemand mehr bei Einbruch der Dunkelheit ihre vampirischen Neigungen wecken kann, werden sie einstweilen wie ganz normale Kinder weiterleben. Gefährdet bleiben sie. Möglicherweise bricht es später wieder bei einigen durch. Ich kann es nicht heilen. Niemand kann das.“ Er machte ein finsteres Gesicht und blickte auf seinen Teller. Dann schob er ihn kurz entschlossen von sich.
    „Und Rosaly?“ fragte Jerry Boland noch einmal. Davidson sah ihn an.
    „Sie ist tot. Ihr Leben war der Preis, daß ich Molek überwinden konnte. Als sie auf dem Altar starb, hat er das Opfer angenommen und sich damit wieder schuldig gemacht.“
    „Wieder?“ fragte Ann leise. Davidson nickte.
    „Es geschieht immer wieder. Man bekämpft das Böse und überwindet es, aber irgendwann steht es wieder auf, kommt zu Kräften und versucht, die Welt in seine Gewalt zu bekommen.“
    „Warum läßt Gott das zu?“ fragte Ann. Davidson hatte das Zögern in ihrer Stimme wohl gemerkt.
    „Weil die Menschen ebenfalls böse sind.“ Er blickte zu Hedwige hinüber und dann auf Jerry und Ann, die sich erschreckt ansahen.
    „Na ja“, sagte er und zog den Teller wieder zu sich heran, „nicht alle vielleicht.“
    Er brach ein Stück von seinem Brot und reichte es der Eule, die lautlos herbei schwebte und es im Flug aufnahm.
     
     
    ENDE
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