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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire
Autoren: Thomas B. Davies
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Halle. Die beiden Tische der Pförtner waren leer. Vor ihr glitt die Glastür des breiten Portals auseinander. Die Nachtluft war kühl und ließ sie erschauern. Erst jetzt gewahrte sie den Revolver in ihrer Hand. Sie sicherte ihn und steckte die Waffe in die Tasche ihrer Jeans.
     

     
    Eine ganze Weile hatte sie auf der Umfassungsmauer an der Bushaltestelle gesessen, Jerrys billige Zigaretten geraucht und nachgedacht.
    Was auch geschehen würde, an offizielle oder staatliche Stellen konnte sie sich mit ihrem Problem und mit ihren neuesten Erfahrungen nicht wenden. Damit durfte sie nicht einmal ihren Bekannten kommen, denn in deren Welt war kein Platz für geheimnisvolle Ungetüme.
    Sie ließ den letzten Zigarettenstummel auf den Boden fallen und trat ihn mit der Schuhspitze aus.
    Vielleicht gab es einen, der ihr helfen konnte, der alte Davidson, Prof. Coleman B. Davidson. Er hatte in ihren ersten Semestern Vorlesungen über rituelle Handlungen bei Naturvölkern gehalten, und ihre religiösen Anschauungen und ihren Dämonenglauben in recht lebendige Beziehung gesetzt zu unerklärlichen Heilerfolgen und unbestritten wirkungsvoller Zauberei. Ann hatte immer das Gefühl gehabt, als wisse der alte Davidson wesentlich mehr, als er zu erkennen gab, und als sei er insgeheim auch gar nicht davon überzeugt, daß unsere reale Welt die einzige sei.
    Sie stand auf und blickte auf die Uhr, es war halb zwei.
    Sie war sich nicht ganz klar darüber, ob man um eine solche Zeit jemanden besuchen konnte, auch wenn man ihn in Verdacht hatte, daß er zuweilen mit Geistern verkehren mochte. Aber sie konnte ja zu ihm fahren. Hatte er noch Licht, war alles gut, andernfalls mußte sie irgendwo warten und sich die Zeit vertreiben, bis es Tag wurde.
    Ann zählte das Geld in ihrer Tasche. Für eine Taxifahrt in die Stadt mochte es gerade noch reichen, vielleicht auch zu einem Kaffee an einem Automaten.
    Ihre Schritte hallten auf den Platten des Verbindungswegs zu Block D. Sie wußte, daß dort im Obergeschoß ein Nachtklub bis in die Morgenstunden geöffnet hatte, deshalb warteten da auch manchmal Taxis.
    Sie sah die abgeblendeten Lichter schon von weitem. Die letzten Meter rannte sie beinahe, und als sie den ersten Wagen erreicht hatte, riß sie die Tür auf und sprang hinein, als würde sie tatsächlich verfolgt.
    Der Fahrer faltete die Zeitung zusammen, drehte sich langsam um und sah ihr forschend ins Gesicht.
    „Eilt’s?“ fragte er. Sie schüttelte den Kopf.
    „Mir war nur kalt. Fahren Sie mich nach Holgate hinüber?“
    „Warum nicht.“ erwiderte er gutmütig und startete. Ann schmiegte sich erleichtert in die Polster.
    Ganz genau wußte sie nicht mehr, wo Professor Davidson wohnte. Jemand hatte ihr einmal das alte Haus in dem kleinen Garten gezeigt, es sah aus wie ein Überbleibsel aus früheren Zeiten. Dunkel erinnerte sie sich an einen turmartigen Erker, von wildem Wein umsponnen, an viele kleine Fenster und mächtige Blutbuchen, die das Haus mit dem spitzen Giebel überragten. Sie sagte es dem Fahrer. Der hörte aufmerksam zu und nickte.
    „Ich glaube, ich weiß, wohin Sie wollen, Miß“, sagte er schließlich. „Wir kennen die Adresse. Merkwürdige Leute wollen manchmal dahin, und zu merkwürdigen Zeiten. So wie Sie, Miß!“
    „Ja? Er ist einer der Professoren, bei denen ich studiere.“
    „Wirklich?“ Er schien es nicht ganz zu glauben. „Mich brächten ja keine zehn Pferde in das Haus.“
    „Warum denn nicht?“ fragte sie neugierig. Sie standen vor einer roten Ampel.
    „Man hört so mancherlei. Die Kollegen erzählen sich die verrücktesten Sachen. Fahrgäste, die sie da abholten und die sich angeblich unterwegs in Nichts auflösten, Motoren, die ohne jeglichen Grund stehenblieben und ebenso wieder zu laufen anfingen, und was sonst noch alles!“
    „Glauben Sie denn an so etwas?“ fragte Ann. Der Taxifahrer gab Gas und fuhr wieder an.
    „Weiß nicht“, brummte er. „Seit dreißig Jahren fahre ich jetzt in der Nachtschicht. Es gibt schon manches, was man sich nicht erklären kann, aber man spricht besser nicht darüber, sonst halten einen die anderen für verrückt. Und in die Klapsmühle kommt man leichter rein als wieder raus. Übrigens müssen wir bald da sein.“
    Er fuhr vorsichtig um eine scharfe Biegung. Rechts und links der Straße duckten sich alte Vorstadtvillen in dunkle Parks, hin und wieder gab es sogar noch schmiedeeiserne Gitter.
    „Da ist es, Miß, im Haus ist sogar noch Licht.“
    Sie beugte
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