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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire
Autoren: Thomas B. Davies
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sich vor und sah nun deutlich, daß die oberen Fenster in dem runden Erker erleuchtet waren.
    „Soll ich warten, Miß?“
    „Ja“, nickte sie, „bitte, bis man mir öffnet!“ Ann zahlte, und ihr Geldtäschchen wurde dabei fast leer. Der Fahrer ließ den Motor laufen, während sie durch die Gartenpforte schritt und auf die Haustür zuging. Sie hatte kaum auf den Klingelknopf gedrückt, als sie von einer Stimme aus einem knarrenden Lautsprecher aufgefordert wurde, ein wenig zu warten. Sie winkte dem Taxifahrer zu. Er fuhr an und verschwand in der nächsten Nebenstraße.
    Ann hörte im Innern des Hauses Schritte die Treppe herunterkommen. Ein Schlüssel drehte sich knirschend im Schloß, und dann stand sie dem alten Davidson gegenüber.
    Er sah nicht anders aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Ein alter Mann, der sich gebeugt hielt und sie von unten herauf anblickte. Langes, weißes Haar hing ihm zu beiden Seiten des mageren, asketischen Gesichts herunter, das von einem spitzen Kinn und einer stark gebogenen Geiernase geprägt wurde. Ann wäre nicht überrascht gewesen, wenn Davidson auch noch einen Buckel gehabt hätte, aber den Eindruck machte er nur dadurch, daß er die linke Schulter hochzog.
    „Bitte?“ sagte er mit weicher, fast sanfter Stimme. „Sie wollen mich sprechen?“
    „Ich bin Ann Marley, Sir. Ich habe früher einmal Ihre Vorlesungen gehört. Und jetzt, entschuldigen Sie, es ist ganz gewiß nicht die richtige Zeit für einen Besuch. Aber weswegen ich komme, das ist so… so ungewöhnlich!“
    Der Alte nickte und hielt die Tür einladend offen.
    „Kommen Sie, Miß Marley. Ich nehme an, Sie haben ein Problem, bei dessen Lösung Sie mich brauchen. Gehen wir in die Bibliothek!“
    Er schritt vor ihr durch einen finsteren Flur, und dabei hatte sie den Eindruck, daß er sich durchaus kraftvoll, wenn nicht sogar jugendlich bewegte. Erst als der Kronleuchter in der Bibliothek aufflammte, hatte er wieder seine krumme und gebeugte Gestalt.
    Ann sah sich um. Der holzgetäfelte Raum war auf drei Seiten bis an die Decke mit altertümlichen Bücherregalen voll gestellt. An der vierten bauschten sich schwere Samtvorhänge vor den tief heruntergezogenen Fenstern. In der Mitte stand ein großer, massiver Studiertisch mit einigen steiflehnigen Stühlen. Was sie überraschte, war eine Staffelei mit einer lebensgroßen anatomischen Darstellung eines Menschen. Sie ähnelte denen, die ihr vom Studium her wohlbekannt waren, aber zusätzlich trug sie Bezeichnungen und Hinweise, von denen sie noch nie etwas gehört oder gesehen hatte. Einzelne Organe, die sie gut zu kennen glaubte, erhielten durch Buchstaben und Zahlen anscheinend eine andere, neue Bedeutung, und es waren Nervenbahnen eingezeichnet, wo es ihrer Überzeugung nach keine geben konnte.
    „Sie sind Medizinerin, wie ich an Ihre Verblüffung sehe“, lächelte Davidson. „Es ist auch keine streng medizinische Darstellung des Menschen“, gab er zu. „Aber Sie haben wohl etwas anderes in Kopf. Wollen Sie sich nicht setzen, Miß Marley?“
    Er bot ihr einen der unbequem aussehenden Stühle an, auf dem es sich überraschenderweise doch recht angenehm sitzen ließ, und nahm ihr gegenüber am Tisch Platz.
    „Ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll“, sagte sie zaghaft.
    „In einem solchen Fall berichten Sie am besten der Reihe nach“, schlug er vor. Sie nickte und erzählte von dem Zeitpunkt an, da sie Jerry Boland vermißt hatte.
    Davidson hörte aufmerksam zu. Als sie von dem Wesen berichtete, daß sie vor wenigen Stunden in Jerrys Zimmer angefallen hatte und dann durch den Luftschacht verschwunden war, runzelte er die Stirn und machte ein bekümmertes Gesicht.
    „Hm“, sagte er, als sie geendet hatte, und eine ganze Weile verstrichen war. „Ich glaube, es ist gut, daß Sie gleich zu mir gekommen sind. Anderswo hätte man Ihnen wohl kaum geglaubt.“
    „Das heißt, daß Sie mich nicht für verrückt halten?“ fragte sie lebhaft.
    „Natürlich nicht, Miß Marley. Sie müssen wissen, daß mir gewisse Erscheinungen, die Ihnen unbegreiflich vorkommen, ziemlich vertraut sind. Sie sagten, daß Jerry Boland Physiker ist?“
    Ann nickte stumm.
    „Schön, das wird ihm in diesem Fall nicht viel helfen. Im Gegenteil, wahrscheinlich verwirrt es ihn so, daß er für diese edle Wissenschaft verloren ist, wenn wir alles hinter uns haben.“
    „Aber was steckt hinter alledem, Mr. Davidson?“ fragte Ann verzweifelt.
    Der alte Gelehrte wiegte den Kopf mit den
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