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099 - Das Hochhaus der Vampire

099 - Das Hochhaus der Vampire

Titel: 099 - Das Hochhaus der Vampire
Autoren: Thomas B. Davies
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weißen Haaren, er legte die Fingerspitzen gegeneinander und dachte nach.
    „Sie sind als Medizinerin ebenfalls Naturwissenschaftlerin, Miß Marley. Und so ist es für mich besonders schwer, Ihnen das alles zu erklären, woran ich mein ganzes Leben gearbeitet habe, Nehmen Sie einmal an, daß unsere Wissenschaften nur einen Teil dessen kennen, was unsere Welt ausmacht. Daß gewisse Naturvölker Behandlungsmethoden kannten, die unsere heutigen weit in den Schatten stellen, haben Sie schon von mir gehört. Auf dem Gebiet der Parapsychologie fängt man gegenwärtig an, sich mit Kräften zu beschäftigen, die noch nicht erforscht sind. Es wäre notwendig, daß auch in der Physik ähnliches geschähe, ebenso wie in der Chemie. Es gibt ein paar Leute, die da mehr wissen als die Kollegen auf den Lehrstühlen der Universitäten, aber selbst diese wenigen machen unterschiedlichen Gebrauch von ihren Kenntnissen.“
    „Wie meinen Sie das?“
    Davidson hob die schiefe Schulter.
    „Um ein Gleichnis zu gebrauchen: was man früher nicht verstand, nannte man Magie. Genau so ist es heute. Es hat sich nichts geändert, seit man das Feuer erfand, um damit sowohl Brot zu backen wie auch das Haus des Nachbarn niederzubrennen.“
    Ann nickte.
    „Daß hier unbekannte Kräfte und Wesen am Werk sind, habe ich schon vermutet. Aber damit kann ich mich nicht abfinden, Mr. Davidson. Ich möchte mehr darüber wissen, um etwas unternehmen zu können. Jerry ist in Gefahr. Was sind das für Untiere, die bei Nacht in fremde Zimmer eindringen und Blut saugen? Vampire? Gibt es sie doch?“
    „Natürlich gibt es sie“, bestätigte Davidson in aller Ruhe. „Sie sind überaus lästig und in gewisser Weise gefährlich, wenn sie auch nur einen kleinen Ausschnitt aus der Welt des Unbekannten darstellen. Definieren wir es einmal so: sie sind dort etwa das, was bei uns als Suchtkranker gilt“
    „Süchtig nach Blut?“
    „Ja, sie brauchen es, um existieren zu können.“
    „Und wenn sie es nicht bekommen, haben sie so etwas wie Entziehungserscheinungen? Ich habe das bei Heroinkranken kennengelernt. Es ist schrecklich!“
    „Bei Vampiren ist es noch viel schrecklicher“, sagte Davidson ernst. „Aber Ihr Fall liegt nicht so einfach, fürchte ich. Natürlich wäre ein Hochhaus für Vampire ideal, aber ich muß mich erst vergewissern, was da eigentlich los ist. Da wird mich den Rest der Nacht in Atem halten. Deshalb schlage ich vor, daß Sie sich hinlegen und ein paar Stunden ruhen. Morgen früh weiß ich mehr, und dann können wir uns überlegen, wie wir vorgehen wollen.“
    Anns Augen leuchteten auf.
    „Sie wollen mir helfen?“
    „Selbstverständlich. Es ist meine Pflicht, mein besonderes Wissen zu nutzen. Machen Sie sich einstweilen keine Sorgen, bei mir sind Sie sicher. Darf ich bitten?“
    Er schien es mit einem Mal sehr eilig zu haben. Ann erhob sich und folgte ihm zu der Bücherwand. Er ließ einen Teil des Regals zur Seite gleiten und führte sie durch die entstandene Öffnung in einen bequem eingerichteten Nebenraum.
    „Hier ist eine halbwegs komfortable Couch mit Kissen und Decken. Läuten Sie, wenn Sie etwas brauchen oder wenn Sie sich gestört fühlen.“
    „Gestört?“
    Er neigte den Kopf.
    „Ich kann nicht viel dagegen tun, daß sich jemand in Ihre Träume schleicht, gute Nacht!“
     

     
    Von dieser Seite war es eine schlichte Tapetentür, die er hinter sich zuzog. Ann dachte über seine letzten Worte nach, während sie aus ihren Schuhen schlüpfte und sich mit einer flauschigen Wolldecke auf der Couch zusammenrollte. Entgegen seinen Befürchtungen fiel sie fast augenblicklich in Schlaf, und sie träumte auch nicht.
    Es war gegen Morgen, als sie auf einmal wach wurde. Das Zimmer schien von der leisen Musik erfüllt, die zu jeder Tageszeit im Hochhaus erklang. Nur erschien sie ihr jetzt von einer geradezu überirdischen Süße, sie nahm sie völlig gefangen.
    Schon wollte sie sich aufrichten, sie begann, den Oberkörper im Takt zu wiegen, als draußen eine ärgerliche Stimme in recht grobem Latein zu schimpfen begann. Sie hatte auf der Schule genug Latein gelernt, um einige Brocken zu verstehen. Erschrocken hielt sie inne, auch die Musik brach mit einer Dissonanz ab. Die Stimme entfernte sich.
    „Jetzt werde ich schon nervös, wenn irgendwo ein Radio spielt“, sagte sie halblaut und ließ sich in die Kissen zurück sinken. Aber tief in ihrem Inneren spürte sie doch, daß sie in einer unbestimmten Gefahr geschwebt hatte.
    Im
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