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0962 - Der Leichenflur

0962 - Der Leichenflur

Titel: 0962 - Der Leichenflur
Autoren: Jason Dark
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war nicht genau herauszufinden. Die leisen Stimmen waren überall. Leider fand ich nicht heraus, ob sie etwas sagten. Ich hörte sie nur als Zischeln. Da waren mehrere Personen, die sich sehr leise unterhielten, und dabei ließ es sich nicht vermeiden, daß sich die einzelnen Stimmen überlagerten.
    Von beiden Seiten erreichten sie meine Ohren, als hätte sie jemand in den dicken Wänden versteckt, um sich auf diese geheimnisvolle Weise bemerkbar zu machen.
    Sogar von der Decke her fielen sie herab, und sie stiegen auch aus dem Fußboden. Zumindest glaubte ich das, weil mich das Flüstern wie ein Kreisel umgab.
    Mein Blick fiel zu Boden, der mir so weich vorgekommen war. Verändert hatte er sich nicht. Ich konnte auch weitergehen, aber nach zwei Schritten blieb ich wieder stehen, weil die Stimmen jetzt deutlicher zu hören waren.
    »Auch dich wird es erwischen - auch dich! Du wirst sterben. Du wirst so sterben wie die anderen, hörst du…«
    Ja, ich hörte, aber ich gab keine Antwort. Zumindest keine akustische.
    Statt dessen tat ich etwas anderes. Vorhin hatte ich über Lisas Worte gelächelt, als sie die Geister erwähnt hatte, nun aber lächelte ich nicht mehr.
    Umringten sie mich? Nahmen sie aus dem Verborgenen Kontakt mit mir auf?
    Ich wußte es nicht genau, aber ihr Zischeln bildete ich mir nicht ein. Es gab sie. Keine Vorspiegelung falscher Tatsachen. Ich hörte sie verdammt gut.
    »Sterben - sterben…«
    Dieses eine Wort wiederholten sie immer wieder. Ich hatte mich schon daran gewöhnt und tat etwas anderes. Sehr bald schon lag das Kreuz auf meiner offenen Handfläche. Ich suchte es nach einer Reaktion ab, die aber trat noch nicht ein.
    Es strahlte matt wie sonst auch. Wenig später klemmte ich die Kette zwischen meine Finger und schwang das Kreuz durch die Luft, damit es eventuell Kontakt mit den Geistern bekam, um sie aus ihrem unsichtbaren Reich hervorzuholen. Ich wartete auf ein Schimmern des Metalls, vielleicht auch auf eine Materialisation, leider erfüllten sich meine Wünsche nicht.
    Die Stimmen zogen sich zurück. Worte waren nicht mehr zu verstehen.
    Sicherlich behielten sie ihre Drohungen bei, aber das Flüstern wurde leiser und war sehr bald völlig verstummt.
    Die Stille hatte mich wieder.
    Ich hängte das Kreuz wieder um. Meine Lippen zeigten dabei ein wissendes Lächeln.
    In diesem Haus ging es nicht mit normalen Dingen zu. Auch die vier Männer waren auf eine ungewöhnliche Weise ums Leben gekommen. In der Mauer oder im Fußboden steckte etwas, das man durchaus als bösen Geist ansehen konnte, da hatte Lisa Fox schon recht gehabt, und ich wußte auch Bescheid.
    Geister gleich Gegner.
    Sie schienen schon erfahren oder begriffen zu haben, daß jetzt jemand in das Haus eingezogen war, mit dem sie nicht so leicht umspringen konnten. Sie hatten sich nicht gezeigt - möglicherweise würde ich sie nie zu Gesicht kriegen, aber es gab sie!
    Die Stille hielt nicht lange an. Hinter mir hörte ich das Geräusch einer sich öffnenden Tür, bei der die Angeln nicht gut geölt waren. Bevor ich mich noch richtig gedreht hatte, vernahm ich die weiche und trotzdem etwas rauh klingende Stimme der Frau.
    »Oh, der neue Mieter. Laß dich mal ansehen, schöner Mann…«
    Da wußte ich, daß Ginny Day die Tür geöffnet hatte.
    ***
    Sie wollte mich zwar ansehen, ich war auch auf sie gespannt, aber mit der Drehung beeilte ich mich nicht. Ich ließ es langsam angehen. Sie bewegte sich auch hinter mir auf mich zu. Das sah ich zwar nicht, dafür roch ich es, denn die Duftwolke erwischte meine Nase wie ein Gruß aus einer Parfümerie.
    Dann schauten wir uns an, und Ginny lächelte. Wahrscheinlich war es der berufsmäßige Reflex, der sie so handeln ließ. So reagierte sie immer, wenn sie einen Mann sah, und auch ich wollte ihr nicht nachstehen und verzog ebenfalls die Lippen.
    Ginny sah stark aus. Es war aber wohl noch nicht ihre Zeit, denn das Gesicht war ungeschminkt. Dabei war sie leidlich hübsch. Ein rundes Gesicht, eine kleine Nase, der herzförmige Mund und die dunklen Augen, die allerdings nicht zu der bleichblonden Farbe des Wuschelhaares passen wollten, an deren unteren Ende das natürliche Dunkel schon durchschimmerte.
    »Ich bin Ginny.« Sie reichte mir die Hand. Von den Fingern war nur der Daumen ringlos, verschont von billigem Modeschmuck. Die Nägel waren nicht nur lang, sondern so rot lackiert, daß die Farbe schon in meinen Augen schmerzte.
    »Ich bin John.«
    Beim Händedruck spürte ich, wie kalt
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