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0962 - Der Leichenflur

0962 - Der Leichenflur

Titel: 0962 - Der Leichenflur
Autoren: Jason Dark
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Offensive.
    »Was denkst du jetzt?«
    Ginny knabberte am Keks. Dann nahm sie einen Schluck. »Ich weiß nicht so recht.«
    »Aber du denkst über mich nach.«
    »Das schon.«
    »Und?«
    »Ist schwer zu sagen.« Sie lehnte sich zurück und streckte unter dem Tisch die Beine aus. Ich spürte die Berührung ihrer Füße an meinen Waden, zog die Beine aber nicht weg. »Ich weiß wirklich nicht, was ich von dir halten soll, John. Du siehst mir eigentlich nicht so aus, als hättest du es nötig, in diesen Bau einzuziehen.«
    »Danke. Das hat man mir heute schon einmal gesagt.«
    »Wer denn? Lisa?«
    »Ja.«
    Ginny nickte. »Sie kennt die Menschen. Sie hat ein gutes Auge, das muß man ihr lassen.«
    Wieder knabberte Ginny an einem Keks. Den zweiten steckte sie ganz in den Mund, wobei sie mich beobachtete.
    »Ich bin froh, hier ein preiswertes Zimmer bekommen zu haben. Nach einer langen Krankheit hatte ich meinen Job verloren.«
    »Was hattest du denn?«
    »Malaria. Die habe ich mir in Afrika eingefangen. Dann kam noch eine Gelbsucht hinzu.« Ich legte dick auf.
    Ginny akzeptierte es. Sie lehnte sich zurück, und ihr Fuß verschwand aus der Nähe meines Beins. Dann verzog sie die Lippen. »Das hört sich aber nicht gut an.«
    »Es war auch nicht gut«, erwiderte ich.
    »Und jetzt bist du wieder okay?«
    »Ja, die Sache ist gelaufen. Nur mit meinem Job sieht es nicht so gut aus.« Ich hob die Schultern. »Aber was will man da schon machen?«
    »Jetzt hast du einen.«
    »Ich werde in zwei Tagen bei einer Firma anfangen, die Container herstellt.«
    »Im Büro?«
    »Genau. Woher weißt du das?«
    »Das sehe ich an deinen Händen. Körperliche Arbeit hätte Spuren hinterlassen.«
    »Stimmt auch wieder. Kompliment.«
    Ginny freute sich darüber. »Auch in meinem Job lernt man die Menschen kennen.« Schnell sprach sie weiter. »Jetzt erzähl mir nur nicht, daß du nicht weißt, wie ich meine Knete verdiene.«
    »Doch, schon…«
    »Lisa, wie?«
    »Korrekt.«
    Ginny winkte ab. »Man darf ihr nicht böse sein. Sie ist schon verdammt in Ordnung und hier im Haus so etwas wie die Mutter der Kompanie. Wenn es Probleme gibt, Lisa löst sie.«
    »Nur von dem Killer hat sie nichts bemerkt - oder?«
    Ginny schaute mich an. Ihre gute Laune war verschwunden. Sie machte einen ängstlichen Eindruck. »Nein, hat sie nicht. Habe ich aber auch nicht, und die anderen ebenfalls nicht. Du glaubst gar nicht, wie froh ich darüber bin.«
    »Kann ich mir denken. Aber habt ihr Bewohner denn keinen Verdacht, wer es getan haben könnte?«
    »Nee. Auf keinen Fall.« Sie griff in die rechte Tasche des Bademantels und holte Zigaretten hervor. Ein Feuerzeug rutschte ebenfalls aus ihrer Hand. Ich lehnte ab, als sie mir ein Stäbchen anbot. Dafür bekam sie von mir Feuer. Die Flamme war schon erloschen, als sie meine Hand festhielt. »Weißt du, John«, sagte sie leise, »zieh hier erst gar nicht richtig ein. Das ist besser für dich. Ich will nicht, daß zwei Türen weiter bald der fünfte Tote liegt. Das wärst nämlich du.«
    »Ja«, sagte ich. »Da hast du schon recht. Ich kann nicht auf der Straße übernachten.«
    »Findest du denn keine andere?« Ihre Hand war kalt. Ich zog meine wieder zurück. »Wohnungen gibt es genug, aber wer kann die schon bezahlen, Ginny?«
    »Klar, das ist ein Problem.« Sie saugte den Rauch tief ein und stieß ihn erst aus, nachdem sie sich zurückgelehnt hatte. »Selbst ich hätte Schwierigkeiten, und manchmal verdiene ich wirklich nicht schlecht. Aber«, sie hob die Schultern, »das Geld sitzt nicht mehr so locker, John, das merken auch wir.«
    »Wie lange machst du das schon?«
    »Vier Jahre.«
    Ich nickte. »Und du bringst deine Freier mit hierher.«
    »Ja, aber nicht immer. Nur wenn sie gut zahlen.« Ginnys Augen verengten sich. »Willst du darauf hinaus, daß einer meiner Freier der Killer sein könnte?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    Sie winkte ab. »Keine Ausrede, John, denn so etwas kenne ich. Auch die Bullen haben mich ausgequetscht, aber in den letzten Nächten habe ich keinen mit in die Bude gebracht. Es wäre auch kaum jemand mitgekommen, denn in den Zeitungen stand ja genug über die Morde und wo sie passiert sind.«
    »Das ist leider wahr.«
    »Ich arbeite dafür mehr draußen.«
    »Hotel?«
    »Auch, meist im Auto.« Als sie meine gefurchte Stirn sah, sagte sie: »Tja, das Leben ist verflucht hart. Der eine so, die andere so. Irgendwie müssen wir ja durchkommen.«
    »Das stimmt.«
    Zwischen uns entstand eine
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