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0949 - Die geronnene Zeit

0949 - Die geronnene Zeit

Titel: 0949 - Die geronnene Zeit
Autoren: Oliver Fröhlich
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öffnete die Augen. Tatsächlich, es war gelungen.
    Vor ihnen erstreckte sich ein geräumiger Tunnel, der in die Schwärze hinein - und durch sie hindurch? - führte.
    Sollte inmitten des Dunkels wirklich etwas anderes liegen als noch mehr Dunkel, konnten sie es von hieraus nicht sehen. Das Loch, das er mit seinem Geist hineingebohrt hatte, schien endlos weiterzugehen und ins Nichts zu führen.
    Auch das Innere des Tunnels, dort, wo die Schwärze zurückgewichen war und eigentlich ein Stück von Lemuria hätte freigeben müssen, bestand aus vollkommener heller Leere.
    »Was habe ich geschafft? Das da? Was ist das?«
    »Ein Weltentor. Durch das Dunkel hindurch. Komm!«
    Noch bevor Kesriel etwas erwidern konnte, nahm Merlin ihn bei der Hand und zog ihn mit sich in den endlosen Tunnel aus Nichts.
    Für einen Herzschlag stürmten Eindrücke auf das Bewusstsein des Erbfolgers ein. Bilder von dem Teil Lemurias, den das Dunkel gefressen hatte. Impressionen eines toten, lebensfeindlichen Landes. Die einst so prächtig blühenden Bäume hatten ihr Laub abgeworfen und bizarr verkrümmte Äste ausgebildet. Viele von ihnen wuchsen beinahe senkrecht nach oben, als hätten die Pflanzen in einer Geste des Schmerzes ihre Arme in die Höhe geworfen und waren in dieser Position erstarrt. In diesem einen Augenblick stürzten so viel Tristesse, Einsamkeit und Traurigkeit auf ihn ein, dass er in ein tiefes schwarzes Loch der Depression fiel.
    Und er wusste, es war das Dunkel, das ihn so fühlen ließ. Die Bosheit von Tausenden von Jahren griff nach ihm, zupfte an seinem Verstand, wollte seine Poren mit Leid erfüllen.
    Im nächsten Herzschlag war es vorüber.
    Sie fanden sich in einer Gegend wieder, die im genauen Gegensatz zu dem stand, was er gerade gespürt hatte. Eine blühende Landschaft, saftige Wiesen voller Blumen, die in den strahlendsten Farben leuchteten. Kräftige Bäume mit starken, gesunden Ästen.
    Kesriel schüttelte sich. Ihn hatte das Gefühl der Finsternis nur für einen Augenblick gestreift. Ihm fielen die Abenteurer ein, die vermutlich immer noch durch das Dunkel irrten und diese den Geist vergiftende Stimmung zum Teil seit Jahren ertragen mussten. Wenn sie sich in ihrer Verzweiflung nicht schon längst das Leben genommen hatten. Aber irgendwie hatte Kesriel den Eindruck gewonnen, dass das Dunkel so etwas nicht zulassen würde.
    Der Erbfolger blickte nach oben in einen strahlend blauen, wolkenlosen Himmel.
    »Wir befinden uns wirklich im Inneren des Dunkels?«
    Merlin nickte.
    »Warum ist nichts davon zu sehen?«
    Statt einer Antwort sagte der Magier: »Sei froh, dass es so ist.«
    Die Landschaft wirkte völlig unberührt. Friedlich. Und genauso fühlte sich Kesriel. Auch wenn er noch eine gewisse Trauer verspürte. Als habe er einen Verlust erlitten. Im ersten Augenblick glaubte er, es handele sich um Nachwirkungen der Durchquerung des Dunkels, doch dann…
    »Meine Magie!«, rief er mit Verzweiflung in der Stimme. »Ich spüre sie nicht mehr.«
    Niemals hätte er geglaubt, dass er etwas, das erst vor Kurzem in ihm erwacht war, derart vermissen konnte.
    »Keine Sorge«, sagte Merlin. »Das liegt an diesem speziellen Ort. Außerhalb des Dunkels wird sie zu dir zurückkehren.«
    »Und wie sollen wir ohne meine Magie jemals wieder von hier wegkommen?«
    Merlin lachte. »Für den Rückweg ist keine Magie nötig. Den wird die Quelle jedem Besucher selbst weisen.«
    »Quelle? Besucher? Ich kann dir nicht folgen.«
    »Das bin ich gewöhnt.« Merlin deutete auf eine Stelle in einiger Entfernung. Dort glitzerte ein kristallklarer Teich in der Sonne.
    Sonne?
    Kesriel sah noch einmal zum Himmel. Auch wenn es helllichter Tag war und keine Wolke die Sicht trübte, befand sich dort keine Sonne. Er beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken.
    Doch wie konnte der Teich dann so glitzern?
    »Ich spüre es«, sagte Merlin. »Und ich glaube, du spürst es auch. So, wie sich der böse Teil der Erbfolger-Seele im Dunkel manifestierte, haben auch die Sha'ktanar-Seelen Gestalt angenommen. Dort vorne, in diesem Teich. Dies alles ist nur schwer zu verstehen und noch schwerer zu erklären. Vereinfacht gesagt sorgt der Einschluss durch das Dunkel für eine Art der Zeitlosigkeit in diesem Teil Lemurias. Die Lebenszeit der Sha'ktanar ist dadurch geronnen.«
    »Aha«, machte Kesriel. »Ich begreife kein Wort. Woher weißt du das alles?«
    Merlin lächelte. »Auch ich diene einem…«
    »… höheren Herrn. Ja, ich weiß.«
    »Er glaubt, wir
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