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0930 - Das Stigma

0930 - Das Stigma

Titel: 0930 - Das Stigma
Autoren: Jason Dark
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vorhanden, und sie würde auch so schnell nicht weichen.
    Bevor ich das Haus verließ, warf ich noch einen Blick auf die Uhr. Die erste Stunde des neuen Tages war beinahe vorbei, was mich zu dem Gedanken veranlaßte, ob der magische Zauber des Spiegels vielleicht um ein Uhr vorbei war.
    Rechnen mußte ich mit allem. Die letzten acht Minuten wollte ich noch nutzen und vor Verstreichen der Zeit die leise singenden Frauen erreichen.
    Ich öffnete die relativ schmale Haustür und kümmerte mich diesmal nicht um die entstehenden Geräusche. Vor der Tür gab es so etwas wie eine schlichte Treppe. Man hatte zwei Steinplatten versetzt und auch vertieft zusammengelegt. Dahinter begann das normale, hier übliche Straßenpflaster. Es bestand aus grauen Steinen von unterschiedlicher Größe, die zudem unterschiedlich hoch verlegt worden waren, so daß man leicht stolpern konnte, wenn man nicht aufpaßte.
    Ich sah vor mir den Weg.
    Kein Licht leuchtete ihn an. Es lag da wie ein erstarrter Bach oder schmaler Fluß, und über ihn hinweg wehten die Stimmen der Frauen zu mir herüber.
    »Sie ist wieder da! Sie ist wieder da…«
    Verdammt noch mal, ich konnte es bald nicht mehr hören! Ja, sie war zurückgekommen, aber sie hatte sich jetzt wieder zurückgezogen - und das bestimmt nicht freiwillig.
    Hier gab es nur die Häuser, die Fassaden, die Dächer. Kein Baum, kein Grün, kaum ein Grashalm, und die wenigen Blumen in den Fensterbänken waren durch den heißen Sommer längst vertrocknet.
    Der Ort hieß Aldroni. Ich hatte noch nie im Leben von ihm gehört. Er war es auch bestimmt nicht wert, erwähnt zu werden, denn hierher verlor sich kein Tourist.
    Ich ging auf die Gruppe der Frauen zu.
    Der Singsang wehte mir noch immer entgegen. Noch zwei Minuten, dann war die erste Stunde des Tages vorbei. Es konnte durchaus sein, daß der Gesang dann verstummte. Verlassen wollte ich mich darauf nicht. Ich blieb stehen, als ich die Frauen sah und sie mich sehen mußten.
    Urplötzlich waren sie still!
    Kein Laut mehr. Die erste Stunde war vorbei, und ich fragte mich, ob jetzt auch Marcia den Spiegel wieder als normaler Mensch verlassen hatte.
    Zurücklaufen wollte ich nicht, aber ich hätte dort sicherheitshalber noch bleiben wollen.
    Meine Unsicherheit wischte ich weg, als ich den Frauen zunickte und sie mit einem halblaut gesprochenen »Bon giorno« begrüßte.
    Ob der Morgen gut werden würde, stand in den Sternen. Jedenfalls schienen mir die Personen überrascht zu sein, denn mein Gruß wurde nicht erwidert. Statt dessen standen sie auf ihren Plätzen und schauten mich an. Trotz der Dunkelheit fielen mir ihre forschenden Blicke auf. Sie starrten mich an, als wollten sie herausfinden, ob ich ein Mensch war oder jemand anderer.
    Aber auch ich sah mir die Frauen genau an. Sie waren unterschiedlich.
    Es gab junge Frauen, einige im mittleren Alter, aber auch ältere, die unter der Last ihrer Jahre gebeugt standen.
    Bis auf wenige Personen hatten die Frauen Tücher um ihre Köpfe gebunden, die aussahen wie dunkle Totenschleier. Nur die hellen Gesichter blieben frei.
    Ich nickte ihnen zu und ging noch näher an sie heran. Sie hatten einen Halbkreis gebildet, als sollte mich die Öffnung umfangen. Ich blieb dicht vor ihr stehen und nickte zweimal. Überlegt, was ich sagen wollte, hatte ich mir schon, und deshalb stellte ich auch die erste Frage. »Wer möchte sich mit mir unterhalten?«
    Niemand wollte es, denn es meldete sich keine. Ich wurde nur angestarrt, hob die Schultern und sagte: »Es wäre aber besser, wenn ich mit einer von Ihnen sprechen könnte, denn es gibt wohl Probleme, die uns alle hier angehen, auch wenn ich fremd bin.« Natürlich formulierte ich das nicht so flüssig, aber immerhin so, daß sie mich auch verstanden.
    Endlich geriet Bewegung in die Gruppe. Eine Frau drehte ihren Kopf zur Seite, um mit derjenigen Person zu sprechen, die neben ihr stand.
    Beide flüsterten, die anderen hörten wohl zu, konnten aber wenig verstehen. Dann richtete sich die Frau, die zuerst reagiert hatte, auf und kam einen zögernden Schritt auf mich zu. »Ich werde mit Ihnen sprechen, Signor.«
    »Danke.«
    »Wer sind Sie?«
    »Mein Name ist John Sinclair. Ich komme aus England, aus London und habe Marcia Morana dort kennen- und schätzengelernt.« Mit dieser Aussage wollte ich zeigen, auf welcher Seite ich stand.
    Die Frau reagierte zunächst nicht. Aber sie war höflich genug, um mir ebenfalls ihren Namen zu sagen. Ich erfuhr, daß sie Alexa Tardi
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