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0930 - Das Stigma

0930 - Das Stigma

Titel: 0930 - Das Stigma
Autoren: Jason Dark
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Es lag sehr hoch, dicht unter dem Dach in einem Haus, das direkt an einen steilen Hang gebaut worden war und zusammen mit den anderen Häusern dort klebte wie ein großes Schwalbennest.
    Die Wände waren kahl. Es gab keine Bilder, keine Tapeten, nur das schmale Fenster und ein schlichtes Holzkreuz, das an der hellen Wand seinen Platz gefunden hatte, ungefähr zwischen Bett und Schrank.
    Auf dem halbhohen Schrank stand eine große Schale, in der sich Wasser befand.
    Ich atmete aus. Allmählich schaffte ich es auch, mich wieder zu beruhigen. Dabei überlegte ich, ob ich eine Etage tiefer gehen sollte, wo Marcia Morana schlief, deretwegen ich überhaupt in dieses einsame Abruzzendorf gekommen war.
    Mein Blick fiel auf die Uhr am linken Handgelenk.
    Drei Minuten nach Mitternacht.
    Die Zeit, die bei mir für ein Stirnrunzeln sorgte. Abergläubige Menschen mieden die erste Stunde des Tages. Ich gehörte nicht zu ihnen, aber ich hatte schon Dinge erlebt, von denen andere nicht mal träumten. Als Menschenfreund wünschte man ihnen derartige Träume nicht. Dieser Fall, der in London seinen Anfang genommen hatte, war rätselhaft genug.
    Ich saß noch immer auf dem alten Bett und wußte nicht mal, wieviel Zeit vergangen war. Es kam mir alles so fremd und leer vor. Die hellen Wände sahen so aus, als wären sie mit irgendwelchen glatt gezogenen Leichentüchern bespannt worden.
    Das leise Räuspern brachte mich zurück in die Wirklichkeit und weg von diesem ungewöhnlich traumatischen Zustand.
    Ich drehte mich um. Dabei hörte ich wieder die Musik der Sprungfedern.
    Dann stand ich auf dem alten Steinfußboden, der trotz der Wärme draußen eine gewisse Kühle abstrahlte.
    Einen alten Holzhocker gab es auch noch. Dort hatte ich meine Kleidung abgelegt. Die Hose, das Hemd, auch die leichte Jacke. Zwischen ihr und der Hose lag versteckt die Beretta nebst der weichen Waffentasche, die ich an meinem Gürtel befestigen konnte.
    Sehr leise zog ich mich an. Es geschah instinktiv. Wie bei einem Menschen, der nicht wollte, daß er gehört wurde. Das Rascheln der Kleidung beim Anziehen blieb neben meinem Atmen das einzige Geräusch.
    Fertig angezogen blieb ich neben dem Bett stehen und dachte darüber nach, was ich unternehmen sollte. Zunächst einmal hier oben bleiben, um die Geräuschquelle zu suchen. Oder tollte ich nach unten gehen und nach Man sehen?
    Ich würde beides tun. Zunächst einmal wollte ich hier oben bleiben. Die Laute oder Geräusche waren möglicherweise nicht in meinem Zimmer aufgeklungen, sie hätten auch von draußen durch das schmale Fenster dringen können, und an das trat ich heran, es stand sogar offen. Ich schnupperte die zahlreichen Gerüche, ohne sie bestimmen zu können.
    Es war eine dieser seltsamen Nachte. Nicht völlig finster, aber auch nicht vollmondhell.
    Das Haus befand sich ziemlich weit oben am Hang. Es gehörte zu den letzten. Die anderen Bauten verteilten sich unter mir, und in der Dunkelheit waren die schmalen Gassen so gut wie nicht zu erkennen.
    Sie verliefen sich in der düsteren Finsternis wie leere Schläuche, die darauf warteten, irgendwann mit Wasser gefüllt zu werden.
    Ich schaute ziemlich steil nach unten und stellte fest, daß sich in den Gassen nichts bewegte. Dann änderte ich meine Blickrichtung und nahm mir die Dächer der Häuser vor, die unter mir lagen und sich dabei unterschiedlich hoch verteilten. Eine starre Kaskade aus terrakottafarbenen Ziegeln, die im Schutz der Nacht dunkelgrau aussahen.
    Licht gab es in dieser Ortschaft anscheinend nicht. Sosehr ich mich auch anstrengte, ich entdeckte kein Zimmer, das beleuchtet gewesen wäre.
    Hinter all den Scheiben lauerte die Dunkelheit ebenso wie vor ihnen.
    Ein Bergdorf, das schlief…
    So zumindest sah es aus. Aber das wollte ich nicht hinnehmen. Ich war nicht grundlos geweckt worden. Es hatte da etwas gegeben, das sich nun zurückgezogen hatte.
    Wie lange? Für immer? Hatte mich dieses Andere nur mißtrauisch machen wollen?
    Eine Antwort erhielt ich nicht. Während ich mir den dunklen Himmel anschaute, an dem nur hin und wieder ein Stern schimmerte, als hätte er sich verloren, versuchte ich, mir das Geräusch in die Erinnerung zurückzuholen. Ich wollte herausfinden, was es gewesen war, aber es gelang mir nicht. Ich hatte es vergessen.
    Oder war es eine Täuschung?
    Das wollte ich nicht akzeptieren. Außerdem war ich nicht zum Spaß in dieses verlassen wirkende Dorf gekommen, in dem zwar Menschen lebten, die sich aber bewegten wie
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